Rechtsprechung
OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.08.2009 - I-20 U 253/08
Zurückweisung einer Abmahnung wegen Fehlens einer Originalvollmacht - Ist einer anwaltlichen Abmahnung eine Vollmachtsurkunde nicht beigefügt, kann sie nach § 174 BGB zurückgewiesen werden. Die Abmahnung ist dann im Hinblick auf einen Kostenerstattungsanspruch als nicht berechtigt anzusehen.
BGB § 174; UWG § 12 Abs. 1 Satz 2
Leitsätze:*1. Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ist eine nach Form und Inhalt berechtigte Abmahnung.
2. Die wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist wie die Mahnung eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf die § 174 ZPO - entsprechend - Anwendung findet.
Geschäftsähnliche Handlungen sind insoweit in erster Linie Aufforderungen und Mitteilungen, die auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und
vielfach im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, jedoch nicht unmittelbar auf den Eintritt dieser Rechtsfolgen gerichtet
sind oder gerichtet sein müssen (vgl. BGH, NJW 2001, 289, 290 m.w.N.). Unter diese Definition fällt auch eine Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes
oder wegen der Verletzung gewerblicher Schutzrechte.
3. Die Abmahnung löst - neben dem Anspruch auf Kostenerstattung - weitere Rechtsfolgen aus, indem sie das gesetzliche Schuldverhältnis, dass durch die
Verletzungshandlung zwischen Gläubiger und Schuldner entstanden ist, konkretisiert.
Aus dieser - wettbewerbsrechtlichen - Sonderbeziehung ergeben sich für den Schuldner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestimmte Aufklärungs- und
Antwortpflichten, deren Verletzung unter Umständen auch zu Schadenersatzansprüchen des Gläubigers führen kann (z.B. fristgerechte Mitteilung der
bereits erfolgten anderweitigen Unterwerfung; BGH, GRUR 1987, 54 - Aufklärungspflicht des Abgemahnten).
4. Im Hinblick auf die Rechtswirkungen der Abmahnung und die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutsamkeit der Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung hat der Schuldner ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob der Vertreter zur Abmahnung bevollmächtigt ist.
Demgegenüber bedeutet die Beifügung einer Originalvollmacht keine erhebliche Mühewaltung für den Abmahnenden.
5. Soweit die Abmahnung in der Regel zugleich das Angebot zum Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrages enthält, ändert auch dies nichts an der
entsprechenden Anwendung von § 174 BGB, da dieses Angebot lediglich neben die Abmahnung tritt, ohne dass diese den Charakter als geschäftsähnliche Handlung einbüßt.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 09.11.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2071
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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