Rechtsprechung
LG Bielefeld, Beschluss vom 20.03.2009 - 4 OH 49/09
Kein "doppeltes Gewerbsmäßigkeitserfordernis" bei Auskunftsansprüchen nach § 102 Abs. 2 UrhG - Voraussetzung einer Drittauskunft im Sinne von § 101 Abs. 2 UrhG ist nicht, dass auch die Verletzungshandlung ein gewerbliches Ausmaß im Sinne von § 101 Abs. 1 UrhG aufweist. Zum Merkmal des "gewerblichen Ausmaßes" im Sinn von § 101 Abs. 1 UrhG.
§§ 19a, 101 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 9 UrhG; TKG § 3 Nr. 30
Leitsätze:*1. Voraussetzung einer Drittauskunft im Sinne von § 101 Abs. 2 und 9 UrhG (insbesondere § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG) ist nicht,
dass auch die Verletzungshandlung, auf welche sich die begehrte Auskunft bezieht, ein gewerbliches Ausmaß im Sinne von
§ 101 Abs. 1 UrhG aufweist. Das Erfordernis des gewerblichen Ausmaßes in § 101 Abs. 2 UrhG bezieht sich nach dem Wortsinn der Vorschrift
eindeutig auf die Tätigkeit des jeweiligen Dritten im Sinne der § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 UrhG.
2. Ein solches "doppeltes Gewerbsmäßigkeitserfordernis" ergibt sich auch nicht nach systematischer Auslegung von § 101 UrhG. Insbesondere
erscheint es nicht zwingend, den Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 UrhG von den zusätzlichen Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 UrhG abhängig
zu machen, weil die Drittauskunft nach § 101 Abs. 2 UrhG letztlich der Verfolgung von Ansprüchen gegen Urheberrechtsverletzer nach
§ 101 Abs. 1 UrhG dient und daher nicht über den diesen gegenüber bestehenden Auskunftsanspruch hinausgehen darf
(so OLG Köln, Beschluss vom 21.10.2008 - Az. 6 Wx 2/08,
MIR 2008, Dok. 323). Systematisch handelt es sich bei § 101 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG um gänzlich verschiedene Auskunftsansprüche.
3. Der Gefahr eines weitgehenden Leerlaufens insbesondere der Vorschrift des § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG kann im Fall der Annahme eines "doppelten
Gewerbsmäßigkeitserfordernisses" nur durch die Herabsetzung der Anforderungen an das gewerbliche Ausmaß der Urheberrechtsverletzung begegnet werden.
Dies erscheint schon deshalb wenig sachgerecht, weil dadurch der Anwendungsbereich auch des § 101 Abs. 1 UrhG unangemessen ausgeweitet würde.
4. Das allein das Zurverfügungstellen einer einzelnen Datei - auch wenn diese in gepackter Form z.B. ein komplettes Musikalbum enthält - etwa unter
dem Gesichtspunkt der Schwere der Urheberrechtsverletzung bereits in jedem Fall ein "gewerbliches Ausmaß" der Verletzungshandlung begründen kann,
erscheint zumindest zweifelhaft. Im Fall des Bereithaltens einer einzigen Datei im Rahmen einer Internettauschbörse kann auch im Fall willentlichen
Handelns des Nutzer nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass die Vornahme der Rechtsverletzung "zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren
wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils" (vgl. Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2004/48/EG) erfolgt.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 09.09.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2019
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 13.01.2022 - 6 U 161/21, MIR 2022, Dok. 014
Nach Zustimmung zu einer Mieterhöhung steht dem Mieter kein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht zu
Bundesgerichtshof, MIR 2018, Dok. 045
Facebook-Scraping - Bundesgerichtshof bestimmt Leitentscheidungsverfahren im Zusammenhang mit einem Datenschutzvorfall bei Facebook
Bundesgerichtshof, MIR 2024, Dok. 089
cusanus.de - Neben der Domain (hier cusanus.de) kann auch der Domainname (bzw. die Second-Level-Domain; hier Cusanus) in Alleinstellung als Hinweis auf den Geschäftsbetrieb des Inhabers im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG dienen
BGH, Beschluss vom 02.06.2022 - I ZR 154/21, MIR 2022, Dok. 062
Parodie braucht Humor und Spott - Eine Parodie liegt nicht vor, wenn sich ein Wort- und/oder Bildbeitrag in der Kritik am Gegenstand eines Lichtbild(werk)s erschöpft
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.02.2023 - 11 U 101/22, MIR 2023, Dok. 019