Rechtsprechung
LG Stralsund, Beschluss vom 11.07.2008 - 26 Qs 177/08 (533 Js 13843/07 - StA Stralsund)
Akteneinsichtsrecht des geschädigten Rechteinhabers in Filesharingfällen - Bei den im Rahmen einer Providerauskunft ermittelten Daten des Anschlussinhabers handelt es sich um Bestandsdaten, die nicht dem Fernmeldegeheimnis unterfallen. Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Beschuldigten i.S.v. § 406e Abs. 2 StPO besteht in Filesharingfällen nicht.
StPO §§ 100g, 395 Abs. 2 Ziff. 2, §§ 403ff, § 406e Abs. 2
Leitsätze:*1. Bei IP-Adressen handelt es sich um Verkehrsdaten, die grundsätzlich dem Fernmeldegeheimnis unterfallen. Im Rahmen
der Nutzung von Tauschbörsen werden diese Verkehrsdaten aber freiwillig preisgegeben und können von jedermann eingesehen werden.
Der Nutzer einer Tauschbörse bzw. eines Filesharing-Netzwerkes gibt sein insoweit geschütztes Rechtsgut freiwillig auf.
Für einen Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis ist dann kein Raum mehr.
2. Bei den im Rahmen einer Providerauskunft zu einer bestimmten (dynamischen) IP-Adresse ermittelten Daten des
Anschlussinhabers handelt es sich um Bestandsdaten, die nicht dem Fernmeldegeheimnis unterfallen. Ein richterlicher
Beschluss nach § 100g StPO ist nicht erforderlich. Dies gilt jedenfalls soweit die Daten noch nicht auf Grundlage der
Datenvorratsspeicherung nach § 113a TKG ermittelt werden und nach wie vor aus den zu Abrechnungszwecken gespeicherten Daten
erhoben werden.
3. Das Interesse des Geschädigten an einer Akteneinsicht nach § 406e StPO kann auch in der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche
liegen (BVerfG, Beschluss vom 05.12.2006 - Az. 2 BvR 2388/06). Die Vorschrift des § 406e StPO stellt insofern - ähnlich dem
Adhäsionsverfahren nach §§ 403ff StPO - eine Durchbrechung des Grundsatzes dar, dass das Strafverfahren nicht zur Durchsetzung
zivilrechtlicher Ansprüche dient.
4. Ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse des Beschuldigten i.S.v. § 406e Abs. 2 StPO kann nicht darin gesehen werden,
nicht mit zivilrechtlichen Haftungsfragen konfrontiert zu werden.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 21.10.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1780
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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