Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.11.2021 - 6 W 92/21
Testsieger aus über 500 getesteten Matratzen - Irreführende Werbung mit Testergebnissen und zu den Grundsätzen der Blickfangwerbung
UWG § 5
Leitsätze:*1. Eine Blickfangwerbung setzt voraus, dass bestimmte Werbeangaben deutlich von dem Rest einer Werbung abgehoben werden und damit geeignet und bestimmt sind, die besondere Aufmerksamkeit des Verkehrs auf sich zu ziehen. An der für eine Blickfangwerbung charakteristischen Situation fehlt es hingegen, wenn nahezu alle Angaben der Werbung farblich und drucktechnisch optisch hervorgehoben und herausgestellt sind. Dann finden die Grundsätze der Blickfangwerbung keine Anwendung.
2. Löst der Blickfang für sich genommen eine Fehlvorstellung aus, kann eine irrtumsausschließende Aufklärung durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen, wenn dieser am Blickfang teilhat und durch eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibt (BGH, Urteil vom 24.10.2002 - I ZR 50/00 - Computerwerbung II). Lediglich im Fall einer dreisten Lüge, für die kein Anlass besteht, kann eine derartige Aufklärung auch dann nicht zugelassen werden, wenn die am Blickfang teilnehmende Erklärung eine Korrektur enthält (BGH, Urteil vom 30.06.2011 - I ZR 157/10, MIR 2011, Dok. 099 - Branchenbuch Berg). In Fällen, in denen der Blickfang zwar nicht objektiv unrichtig ist, aber nur die halbe Wahrheit enthält, muss der aufklärende Hinweis hingegen am Blickfang teilhaben.
3. Die Werbung mit einem Testsieg aus über 500 Matratzen stellt eine Irreführung dar, wenn tatsächlich nicht alle Matratzen in einem Test getestet wurden, sondern über Jahre hinweg in mehreren Tests.
4. Zur fehlenden Irreführung, wenn Matratzen mit einem Testsieg beworben werden und sich erst aus den weiteren Angaben ergibt, dass der Testsieg nur eine bestimmte Matratzengröße betraf.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 17.12.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3140
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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