Rechtsprechung
EuGH, Urteil vom 12.06.2008 - C-533/06
Markenbenutzung in vergleichender Werbung - Ein Markeninhaber kann einem Dritten die Benutzung eines mit der Marke identischen oder ähnlichen Zeichens in einer vergleichenden Werbung nicht verbieten, wenn die Benutzung beim Publikum keine Verwechslungsgefahr hervorruft.
Richtlinie 89/104/EWG Art. 5 Abs. 1, Art. 6; Richtlinie 84/450/EWG Art. 1, Art. 2 Nr. 2a, Art. 3a; EG Art. 234
Leitsätze:*1. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken und Art. 3a Abs. 1 der Richtlinie 84/450/EWG des
Rates vom 10. September 1984 über irreführende und vergleichende Werbung in der durch die Richtlinie 97/55/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 geänderten Fassung sind dahin auszulegen,
dass der Inhaber einer eingetragenen Marke nicht berechtigt ist, einem Dritten die Benutzung eines mit
seiner Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens in einer vergleichenden Werbung zu verbieten, die
alle in Art. 3a Abs. 1 der Richtlinie 84/450 genannten Zulässigkeitsbedingungen erfüllt.
Es ist jedoch, wenn die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 verlangten Voraussetzungen für
das Verbot der Benutzung eines mit einer eingetragenen Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens vorliegen,
ausgeschlossen, dass die vergleichende Werbung, in der das Zeichen benutzt wird, die in Art. 3a Abs. 1 Buchst. d
der Richtlinie 84/450 in der durch die Richtlinie 97/55 geänderten Fassung genannte Zulässigkeitsbedingung erfüllt.
2. Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 ist dahin auszulegen, dass der Inhaber einer eingetragenen Marke
nicht berechtigt ist, einem Dritten die Benutzung eines dieser Marke ähnlichen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen,
die mit denen, für die die Marke eingetragen wurde, identisch oder ihnen ähnlich sind, in einer vergleichenden
Werbung zu verbieten, wenn diese Benutzung beim Publikum keine Verwechslungsgefahr hervorruft, und zwar
unabhängig davon, ob diese vergleichende Werbung alle in Art. 3a der Richtlinie 84/450 in der durch die
Richtlinie 97/55 geänderten Fassung genannten Zulässigkeitsbedingungen erfüllt oder nicht.
3. Die Benutzung eines mit der Marke eines Mitbewerbers identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen
Werbenden in einer vergleichenden Werbung zu dem Zweck, die von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen
zu identifizieren, ist als eine Benutzung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 89/104 für die eigenen
Waren und Dienstleistungen des Werbenden anzusehen.
4. Unter "vergleichender Werbung" ist jede Werbung zu verstehen, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die
Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von einem Mitbewerber angeboten werden, erkennbar macht. Wird die Benutzung
eines der Marke eines Mitbewerbers des Werbenden ähnlichen Zeichens vom Durchschnittsverbraucher als Hinweis auf diesen
Mitbewerber oder auf die von ihm angebotenen Waren und Dienstleistungen aufgefasst liegt vergleichende Werbung i.S.v. Art. 2 Nr. 2a der Richtlinie 84/450/EWG vor.
5. Der Inhaber einer eingetragenen Marke kann die Benutzung eines mit seiner Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104/EWG nur verbieten, wenn: Die Benutzung im geschäftlichen Verkehr stattfindet, ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgt, für Waren und Dienstleistungen erfolgt, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen wurde und die Benutzung die Hauptfunktion der Marke, d.h. die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann.
6. Eine vergleichende Werbung ist unzulässig, wenn zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den Marken, den Waren oder den Dienstleistungen des Werbenden und denen eines Mitbewerbers eine Verwechslungsgefahr besteht (Art. 3a Abs. 1 Buchstabe d der Richtlinie 84/450/EWG). Hierbei ist der Begriff der "Verwechslungsgefahr" in Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104/EWG und in Art. 3a Abs. 1 Buchstabe d der Richtlinie 84/450/EWG einheitlich auszulegen. Verwechslungsgefahr i.S.v. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/104/EWG besteht dann, wenn das Publikum glauben könnte, dass die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenfalls aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (st. Rspr.).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 15.06.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1647
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
EuGH, Urteil vom 07.04.2022 - C-249/21, MIR 2022, Dok. 029
Goldhase III - Zum Markenschutz des Goldtons des "Lindt-Goldhasen"
BGH, Urteil vom 29.07.2021 - I ZR 139/20, MIR 2021, Dok. 067
Private Kontaktpflege nicht so dringlich - Kein Anspruch auf Kontofreischaltung gegen Facebook im Eilverfahren bei bereits erfolgter Sicherung gegen die Kontolöschung
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2023, Dok. 027
Keine Vorabkontrolle - Prüfungspflicht von google.de bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen erst bei konkretem Hinweis auf klare Rechtsverletzung
Bundesgerichtshof, MIR 2018, Dok. 015
Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, umfasst regelmäßig auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands
BGH, Beschluss vom 11.10.2017 - I ZB 96/16, MIR 2018, Dok. 022