Rechtsprechung
LG Dortmund, Urteil vom 14.03.2007 - 10 O 14/07
Pauschaler Wertersatzanspruch 100 %? - Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die pauschal die Höhe des Wertersatzes mit 100 % des Verkaufspreises festlegt und es den Verbrauchern überlässt nachzuweisen, dass keine oder nur eine wesentlich geringere Wertminderung eingetreten ist, ist unwirksam.
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; BGB § 309 Nr. 5, Nr. 12, §§ 305c Abs. 1, 357 Abs. 3
Leitsätze:*1. Nach § 309 Nr. 12 BGB ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam,
durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert.
2. Den allgemeinen Regeln der Beweislast folgend, hat der Unternehmer im Einzelfall die Voraussetzungen
für den ihm bei Ausübung des gesetzlichen Widerrufsrechts zustehenden Wertersatzanspruch gemäß § 357 Abs. 3 BGB
zu beweisen, d.h. er muss beweisen, dass durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Kaufsache eine Verschlechterung
eingetreten und dass es dadurch zu einer Wertminderung in einer bestimmten Höhe gekommen ist.
3. Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern, die pauschal für alle Einzelfälle
die Höhe des Wertersatzes mit 100 % des Verkaufspreises festlegt und es den Verbrauchern überlässt nachzuweisen,
dass keine oder nur eine wesentlich geringere Wertminderung eingetreten ist verstößt gegen § 309 Nr. 12 BGB
und ist unwirksam.
4. § 309 Nr. 5 BGB ist auf Wertersatzansprüche nicht anwendbar sondern bezieht sich nur auf Schadenersatzansprüche und
pauschale Wertminderungen.
5. Ein Klausel mit der Formulierung "Soweit der Kunde [...] den Vertragsschluss widerruft, sind wir berechtigt,
eine pauschale Wertminderung von 100 % des Verkaufspreises zu verlangen. Der Kunde ist berechtigt, nachzuweisen,
dass eine Wertminderung nicht eingetreten ist oder wesentlich niedriger als die Pauschale liegt" ist überraschend
und verstößt damit gegen § 305c Abs. 1 BGB. Denn aufgrund der Widerrufsbelehrung geht der Verbraucher davon
aus, dass das gesetzliche Widerrufsrecht uneingeschränkt Geltung hat. Durch eine Pauschaliesierungsklausel, die
dem Verwender einen Wertersatzanspruch in Höhe von 100 % des Verkaufspreises einräumt, wird dieses Recht für den
Verbraucher aber faktisch entwertet, da er sich im Regelfall nicht in der Lage sehen wird, den nach einer solchen
Klausel erforderlichen Gegenbeweis zu führen.
6. Bei den Bestimmungen der §§ 309, 305 BGB handelt es sich um Vorschriften, die im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG
dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 09.03.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1542
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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