Rechtsprechung
KG Berlin, Urteil vom 15.05.2007 - 9 U 236/06
Eine satirische Fotomontage stellt, auch wenn die betroffene Person in herabsetzender Weise präsentiert wird, nur ausnahmsweise eine unzulässige Schmähung dar.
GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, Art. 5; BGB § 823
Leitsätze:*1. Die satirische Einkleidung, d. h. hier die Gestaltung der Bilder im Rahmen einer Fotomontage, unterliegt einem
weniger strengen Prüfmaßstab als der (versteckte) Aussagekern der satirischen Darstellung, weil es der Satire
wesenseigen ist, mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen zu arbeiten
(vgl. BGH NJW 2004, 596, 597). Dabei dürfen die Grenzen des guten Geschmacks überschritten werden,
weil eine Niveaukontrolle nicht stattfinden darf (vgl. BGH a. a. O. und BGH NJW 2000, 1036, 1039).
2. Unzulässig ist zwar eine Schmähung bzw. Beleidigung. Der Begriff der "Schmähkritik" ist aber wegen seines
die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng auszulegen; von einer Schmähung kann deshalb nur
dann die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern
die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik
persönlich herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll
(vgl. BVerfG, NJW 1995, 3303, 3304; BVerfG NJW 1991, 1475, 1477; BGH NJW 1984, 1956;
BGH NJW 1994, 124; BGH NJW 2000, 1036, 1038). In diesem Zusammenhang sind gerade an die Verurteilung zur Zahlung einer
Geldentschädigung strenge Anforderungen zu stellen, weil eine solche Sanktion das Äußern
kritischer Meinungen einem hohen finanziellen Risiko unterwirft und dadurch die freie geistige Auseinandersetzung
beeinträchtigen kann (vgl. BVerfG NJW 1980, 2069).
3. Dementsprechend sind satirische Fotomontagen, selbst wenn sie den Betroffenen in herabsetzender Weise präsentieren
(hier: u.a. wegen einer möglichen frauenfeindlichen Tendenz), angesichts ihres sachlichen Bezuges zum Aussagekern
nur ausnahmsweise als (unzulässige) Schmähung einzustufen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 18.09.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1369
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Bundesgerichtshof, MIR 2024, Dok. 086
Dringlichkeitsvermutung und die Mär vom Zeitguthaben - Zum dringlichkeitsschädlichen Verhalten des ungesicherten Verfügungsklägers
OLG Stuttgart, Urteil vom 27.01.2022 - 2 U 288/21, MIR 2022, Dok. 020
Dringlichkeitsschädlicher Fristverlängerungsantrag - Wegfall des Verfügungsgrundes durch Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
OLG München, Beschluss vom 16.09.2021 - 29 U 3437/21 Kart, MIR 2021, Dok. 083
Museumsfotografie - Veröffentlichung von Fotografien gemeinfreier Kunstwerke kann (urheber-) rechtswidrig sein
Bundesgerichtshof, MIR 2018, Dok. 057
Aufspaltung in mehr als zwei Stufen mit Identifizierung unzulässig - Zur Ausgestaltung der Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr
OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2024 - 20 UKl 3/23, MIR 2024, Dok. 056