Kurz notiert // Wettbewerbsrecht
Bundesgerichtshof
Die kostenlose Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf dem Online-Portal eines Landkreises verstößt gegen das Gebot der Staatsferne der Presse
BGH, Urteil vom 26.09.2024 - I ZR 142/23; Vorinstanzen: LG Osnabrück, 05.09.2022 - 11 O 667/22; OLG Oldenburg, 22.09.2023 - 6 U 124/22
MIR 2024, Dok. 086, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.09.2024 (I ZR 142/23) entschieden, dass das Angebot kostenloser Stellenanzeigen im Online-Portal eines Landkreises eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand darstellt und im Streitfall gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstößt.
Zur Sache
Die Klägerin verlegt eine Tageszeitung in gedruckter und digitaler Form sowie ein Anzeigenblatt und unterhält zwei Online-Portale. In diesen Medien werden Stellenanzeigen gegen Entgelt veröffentlicht. Der beklagte Landkreis betreibt unter anderem ein Online-Portal, das für den Landkreis als Arbeits- und Lebensstandort werben soll und auf dem unentgeltlich Stellenanzeigen privater Unternehmen und öffentlich-rechtlicher Institutionen veröffentlicht werden.
Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, das Angebot kostenloser Stellenanzeigen verstoße gegen das Gebot der Staatsferne der Presse.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.
Mit seiner vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Das beanstandete Angebot kostenloser Stellenanzeigen auf dem Online-Portal des beklagten Landkreises verstoße gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse und sei nach § 3a UWG wettbewerbswidrig.
Geschäftliche Handlung
Die Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf dem Online-Portal des Beklagten stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Die Unentgeltlichkeit des Angebots sei dabei nicht von maßgeblicher Bedeutung. Bei der Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand vorliegt, sei im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand im Gegensatz zu privaten Unternehmen nicht auf die Erzielung von Gewinnen angewiesen ist und Verluste durch Steuern, Abgaben oder Beiträge decken kann. Geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand sollen aus diesem Grund nicht zwingend einen Unternehmensbezug im Sinne einer auf den entgeltlichen Absatz von Waren oder Dienstleistungen gerichteten Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr aufweisen, so das Gericht. Die öffentliche Hand könne sich einer lauterkeitsrechtlichen Überprüfung ihres Verhaltens nicht dadurch entziehen, dass sie die ihr - im Gegensatz zu privaten Unternehmen - eröffnete Möglichkeit nutzt, Waren oder Dienstleistungen unentgeltlich anzubieten.
Angebot kostenfreier Stellenanzeigen unzulässig
Der Bundesgerichtshof biligte die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach das Angebot kostenloser Stellenanzeigen gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoße. Das Berufungsgericht habe dabei zutreffend allein auf das beanstandete Angebot kostenfreier Stellenanzeigen abgestellt, weil im Streitfall - anders als in Fällen, in denen der redaktionelle Teil einer Publikation der Gemeinde als die Presse substituierend beanstandet wurde - nur dieser wirtschaftliche Aspekt in Rede steht, der aber ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst wird, die sich auf den Anzeigenteil erstreckt. Keinen Rechtsfehler weise auch die Würdigung des Berufungsgerichts auf, der Betrieb der Jobbörse sei geeignet, der Klägerin und anderen Verlegern von Zeitungen oder sonstigen Medien im Landkreis in erheblichem Umfang Kunden für Stellenanzeigen und damit auch die wirtschaftliche Grundlage für die Herausgabe von Presseerzeugnissen zu entziehen.
(tg) - Quelle: PM Nr. Nr. 205/2024 vom 24.10.2024
Zur Sache
Die Klägerin verlegt eine Tageszeitung in gedruckter und digitaler Form sowie ein Anzeigenblatt und unterhält zwei Online-Portale. In diesen Medien werden Stellenanzeigen gegen Entgelt veröffentlicht. Der beklagte Landkreis betreibt unter anderem ein Online-Portal, das für den Landkreis als Arbeits- und Lebensstandort werben soll und auf dem unentgeltlich Stellenanzeigen privater Unternehmen und öffentlich-rechtlicher Institutionen veröffentlicht werden.
Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, das Angebot kostenloser Stellenanzeigen verstoße gegen das Gebot der Staatsferne der Presse.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt.
Mit seiner vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Das beanstandete Angebot kostenloser Stellenanzeigen auf dem Online-Portal des beklagten Landkreises verstoße gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse und sei nach § 3a UWG wettbewerbswidrig.
Geschäftliche Handlung
Die Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf dem Online-Portal des Beklagten stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG dar. Die Unentgeltlichkeit des Angebots sei dabei nicht von maßgeblicher Bedeutung. Bei der Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand vorliegt, sei im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs zu berücksichtigen, dass die öffentliche Hand im Gegensatz zu privaten Unternehmen nicht auf die Erzielung von Gewinnen angewiesen ist und Verluste durch Steuern, Abgaben oder Beiträge decken kann. Geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand sollen aus diesem Grund nicht zwingend einen Unternehmensbezug im Sinne einer auf den entgeltlichen Absatz von Waren oder Dienstleistungen gerichteten Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr aufweisen, so das Gericht. Die öffentliche Hand könne sich einer lauterkeitsrechtlichen Überprüfung ihres Verhaltens nicht dadurch entziehen, dass sie die ihr - im Gegensatz zu privaten Unternehmen - eröffnete Möglichkeit nutzt, Waren oder Dienstleistungen unentgeltlich anzubieten.
Angebot kostenfreier Stellenanzeigen unzulässig
Der Bundesgerichtshof biligte die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach das Angebot kostenloser Stellenanzeigen gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoße. Das Berufungsgericht habe dabei zutreffend allein auf das beanstandete Angebot kostenfreier Stellenanzeigen abgestellt, weil im Streitfall - anders als in Fällen, in denen der redaktionelle Teil einer Publikation der Gemeinde als die Presse substituierend beanstandet wurde - nur dieser wirtschaftliche Aspekt in Rede steht, der aber ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst wird, die sich auf den Anzeigenteil erstreckt. Keinen Rechtsfehler weise auch die Würdigung des Berufungsgerichts auf, der Betrieb der Jobbörse sei geeignet, der Klägerin und anderen Verlegern von Zeitungen oder sonstigen Medien im Landkreis in erheblichem Umfang Kunden für Stellenanzeigen und damit auch die wirtschaftliche Grundlage für die Herausgabe von Presseerzeugnissen zu entziehen.
(tg) - Quelle: PM Nr. Nr. 205/2024 vom 24.10.2024
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 24.10.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3415
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