Rechtsprechung
Hanseatisches OLG, Urteil vom 18.04.2007 - 5 U 190/06
Hausverbot im Internet? - Führt das zu Testzwecken durchgeführte Aufrufen einer Internetseite (hier: Internetshop) durch einen Wettbewerber aufgrund seiner Intensität zu Betriebsstörungen, kann die Sperrung der IP-Adresse als zugangsbeschränkende Gegenmaßnahme gerechtfertigt sein.
UWG §§ 3, 4 Nr. 10
Leitsätze:*1. Macht ein Unternehmen Testmaßnahmen wie Testkäufe, Testgespräche, Testfotos u.ä. durch Wettbewerber
unmöglich, kann hierin eine unzulässige gezielte Behinderung eines Wettbewerbers im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG liegen.
Der Gewerbetreibende, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wendet, muss solche Maßnahmen im Rahmen des
Ãœblichen im Interesse der Allgemeinheit und der betroffenen Mitbewerber dulden
(BGH GRUR 1991, 843, 844 - Testfotos I). Dieses hat jedenfalls dann zu gelten, wenn – wie in Deutschland - die
Kontrolle des lauteren Wettbewerbs insbesondere durch die Wettbewerber (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) und nicht durch
staatliche Stellen erfolgt.
2. Bei der Übertragung und Anwendung der Rechtsprechung hinsichtlich von Zutrittsbeschränkungen zu Geschäftsräumen bzw.
zur Zulässigkeit eines "Hausverbots" (BGH GRUR 1966, 564, 565 Hausverbot I; BGH GRUR 1979, 859, 860 - Hausverbot II;
BGH GRUR 1981, 827, 828 - Vertragswidriger Testkauf) auf die Bedingungen des elektronischen Geschäftsverkehrs,
insbesondere den Handel über Internetshops sind in jedem Fall die Besonderheiten des Mediums Internet und die sich
hieraus ergebenden besonderen Umstände der Kontrolle sowie Inanspruchnahme von Leistungen bzw. des Erwerbs von Produkten
zu berücksichtigen (hier nicht abschließend entschieden).
3. Im Internet wird der Unternehmer (hier: Internetshop-Betreiber) einen vollständigen Ausschluss des Wettbewerbers
im Sinne eines virtuellen Hausverbotes nicht bewirken und durchsetzen können. Unter den Bedingungen des Internets
ist daher grundsätzlich schon eine Erschwerung des Zuganges zu der Homepage des Internetshops als wettbewerbswidrig
anzusehen, wenn dieses durch die Sperrung bestimmter IP-Nummern oder sonstige technische Zugangsbeschränkungen bewirkt wird.
4. Andererseits wird der Betreiber eines Internetshops Wettbewerbern das Aufsuchen seiner Homepage auch nur im
Rahmen des Üblichen zu gewährleisten haben. Testmaßnahmen können grundsätzlich dann unzulässig sein, wenn der Kontrolleur
sich nicht wie ein normaler Kunde bzw. Nachfrager verhält (vgl. BGH GRUR 1991, 843, 844 -Testfotos I), insbesondere
dann, wenn die Testmaßnahmen zu einer Störung des kontrollierten Betriebs führen können. Die Gefahr einer Betriebsstörung ist
hierbei ausreichend.
5. Führt das zu Testzwecken durchgeführte Aufrufen und Abfragen einer Internetseite (hier: Internetshop) aufgrund seiner
Intensität und Häufigkeit dazu, dass die Zugriffe etwa serverseitig (hier: von der Sicherheitssoftware /Firewall)
als Angriff definiert werden und führt dies dazu, dass sich etwa ein Systemtechniker mit der Analyse des Zugriffsverhaltens
und mit der Konzeption von Abwehrmaßnahmen befassen muss, hat sich darin die Gefahr einer Betriebsstörung insoweit
konkretisiert, dass eine Veränderung der Betriebsabläufe erforderlich geworden ist. Die Sperrung der IP-Adresse
des Zugreifenden, testenden Wettbewerbers, erweisen sich dann als gerechtfertigte zugangsbeschränkende Abwehrmaßnahme.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 04.08.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1318
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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