Rechtsprechung
LG Stuttgart, Urteil vom 15.05.2007 - 17 O 490/06
Internet-Vertragsfallen - Weist ein Diensteanbieter auf einer Internetseite blickfangmäßig auf die Bezugsmöglichkeit einer Gratisleistung hin, unterlässt aber einen deutlichen Hinweis auf tatsächliche Zahlungspflichten, liegt darin der Fall einer irreführenden Blickfangwerbung vor.
UWG §§ 3, 5, 7 Abs. 2 Nr. 3, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 ; PAngV § 1 Abs. 6, UKlaG § 2, 3, 4; TDG § 4 a.F., TMG § 3
Leitsätze:*1. Weist ein Diensteanbieter auf einer Internetseite blickfangmäßig auf die Möglichkeit hin,
eine (Gratis-) Leistung beziehen zu können (hier: 111 Gratis-SMS und ein Gewinnspiel mit der Gewinnchance über
1000,00 EUR) ohne hinreichend deutlich und in ähnlicher Form wie diese Blickfangwerbung eine tatsächlich bestehende
Zahlungspflicht und/oder Preisbestandteile herauszustellen, liegt der Fall einer irreführenden und unzulässigen
Blickfangwerbung vor.
2. Auch dann, wenn der Blickfang zwar nicht objektiv unrichtig ist (hier: im Fall der Anmeldung
besteht tatsächlich die Möglichkeit 111 SMS gratis zu versenden und an einem Gewinnspiel teilzunehmen),
aber letztlich nur der halben Wahrheit entspricht (hier: um diese Leistung zu erhalten muss man eine vertragliche Bindung
für 8,00 EUR pro Monat eingehen, die nur bei rechtzeitiger Kündigung innerhalb von 14 Tagen vermieden wird), muss
ein hinreichend deutliches Zeichen den Betrachter zu einem aufklärenden Hinweis führen, der die volle Wahrheit
enthält (vgl. auch BGH GRUR 1999, 264).
3. Es reicht für einen insoweit erforderlichen, deutlich hervortretenden, klarstellenden Hinweis nicht aus,
wenn auf eine vertragliche Bindung (hier: von einem Jahr und einer Zahlungspflicht von
8,00 EUR pro Monat) erst am Ende einer (Internet-) Angebotsseite in einem Fließtext (Fußnotentext) - der so
gegliedert wurde, dass die Einleitung (hier: 1. Absatz) des Textes eine vermeintliche Unwichtigkeit suggeriert
(hier wurde nur auf die Speicherung der IP-Adresse etc. hingewiesen), der nachfolgende Text (hier: 2. Absatz)
ebenfalls nur Informationen enthält, die nicht zwingend auf eine mögliche vertragliche Bindung hinweisen
(hier: der Hinweis auf die Teilnahme an dem Gewinnspiel und die Teilnahmebedingungen) und erst am Ende dieses
Textes ein Hinweis enthalten ist, dass bei Ausbleiben einer Kündigung (hier: innerhalb 14-Tagen) eine kostenpflichtige,
vertragliche Bindung (hier: für ein Jahr zu einem Gesamtpreis von 96,00 EUR) eingegangen wird - hingewiesen wird.
4. Erfolgt eine Preisangabe in dem letzten Satz eines längeren Fußnotentextes am Ende einer (Internet-) Angebotsseite
und ist diese Preisangabe nicht in Ziffern sondern in Buchstaben ausgedrückt, kann sich eine solche Preisangabe als
dem Angebot weder eindeutig zugeordnet noch leicht erkennbar, deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar und damit
als Verstoß gegen die verbraucherschützende Norm des § 1 Abs. 6 PAngV darstellen. Eine derartige Ausgestaltung
einer Webseite kann den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit widersprechen, da sie geeignet ist,
die Entgeltpflichtigkeit einer Dienstleistung zu verschleiern.
5. Bei Werbemaßnahmen im Internet ist grundsätzlich vom Marktortprinzip auszugehen,
sofern nicht kraft gesetzlicher Regelung ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.
Die abweichende gesetzliche Regelung des § 4 TDG a.F. (nunmehr: § 3 TMG) greift nicht,
wenn es nicht um einen Diensteanbieter handelt, der weder in Deutschland noch innerhalb des
Geltungsbereichs der Richtlinie 2000/31/EG niedergelassen ist. Es ist damit das Recht
des Ortes maßgeblich, an dem durch das Wettbewerbsverhalten auf die Entschließung des
Kunden eingewirkt wird. Im Falle der Werbung per E-Mail ist das der Ort, an dem der Nutzer
die E-Mail abrufen wird. Die Länderkennung der E-Mail-Adresse gibt hierfür Anhaltspunkte (hier: .de).
6. An das Vorliegen einer Einwilligung für die Zusendung von Werbemitteilungen sind
strenge Anforderungen zu stellen. Die Einwilligung muss für den konkreten Fall erteilt
worden sein; der Teilnehmer muss wissen, worauf sich seine Einwilligung bezieht. Eine
Generaleinwilligung gegenüber jedermann ist daher nicht möglich. Die Darlegungs- und
Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trägt der Werbende; Zweifel gehen zu
seinen Lasten.
7. Ein Verband, der typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße selbst abmahnt, hat einen
Anspruch auf anteiligen Ersatz von Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale (hier: 4 Abmahnung a 200,00 EUR
= 800,00 EUR).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.06.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1248
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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