Rechtsprechung // Persönlichkeitsrecht
BGH, Urteil vom 04.12.2018 - VI ZR 128/18
Drittunterwerfung – Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr durch eine Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber Dritten bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2
Leitsätze:*1. Ist bereits ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt, besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr (st. Rspr.). Diese Vermutung kann entkräftet werden, allerdings sind an die Entkräftung strenge Anforderungen zu stellen. Im Regelfall bedarf es hierfür der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber dem Gläubiger des Unterlassungsanspruchs.
2. Für die Frage, ob die durch eine bereits erfolgte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr durch den Verweis auf eine gegenüber einem Dritten abgegebene strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung entkräftet werden kann, kommt es entscheidend darauf an, ob die Unterlassungsverpflichtung geeignet erscheint, den Verletzer wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzung abzuhalten. Ob dies der Fall ist, ist in umfassender Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unter Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe zu prüfen (vgl. für das Wettbewerbsrecht: BGH, Urteile vom 13. Mai 1987 - I ZR 79/85, GRUR 1987, 640, 641; vom 2. Dezember 1982 - I ZR 121/80, GRUR 1983, 186 f.). Von dieser Einzelfallprüfung kann nicht unter Verweis auf den höchstpersönlichen Charakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgesehen werden.
3. Grundvoraussetzung für die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber einem Dritten ist, dass diese den von dem Betroffenen geltend gemachten Unterlassungsanspruch inhaltlich voll abdeckt; bleibt sie dahinter zurück, vermag sie die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht zu entkräften.
4. Bei rechtswidrigen Eingriffen in die Privatsphäre durch wahre Tatsachenbehauptungen kommt eine Anwendung der "Kerntheorie" dergestalt, dass sich ein gerichtliches Unterlassungsgebot auf Äußerungen mit anderem, geringeren Informationsgehalt und geringerer Intensität des Eingriffs erstreckte, nicht in Betracht.
5. Davon, dass die Wiederholungsgefahr in der Regel durch die Unterwerfung gegenüber einem Dritten entfällt, wie es teilweise für den Bereich des Wettbewerbsrechts angenommen wird, kann im Falle der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht ausgegangen werden.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 26.02.2019
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2913
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Köln, Urteil vom 26.01.2024 - 6 U 89/23, MIR 2024, Dok. 011
Balloon - Lizenzschaden und Lizenzanalogie bei der Benutzung des Designs für ein einfaches Sofa
OLG Köln, Urteil vom 30.09.2022 - 6 U 77/22, MIR 2023, Dok. 006
Elektronisches Dokument; einfache Signatur - Für die einfache Signatur eines Schriftsatzes gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO genügt der maschinenschriftlich wiedergegebene Name des Verfassers
BGH, Beschluss vom 30.11.2023 - III ZB 4/23, MIR 2024, Dok. 003
Zustellung einer deutschsprachigen Beschlussverfügung an Facebook Irland möglich - Verweigerung der Annahme nicht übersetzter Schriftstücke durch Facebook rechtsmissbräuchlich
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.12.2019 - I-7 W 66/19, MIR 2020, Dok. 003
Sachgerechte Prozessführung - Wegfall der Dringlichkeitsvermutung bei Nichtbegründung einer sofortigen Beschwerde gegen einen zurückweisenden Beschluss im Verfügungsverfahren
OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.02.2023 - 3 W 290/23, MIR 2023, Dok. 026