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BGH, Urteil vom 12.04.2007 - VII ZR 122/06
Zum Umfang der Widerrufsbelehrung - Eine Widerrufsbelehrung, die lediglich über die Pflichten des Verbrauchers im Falle des Widerrufs, nicht jedoch über dessen wesentliche Rechte informiert, entspricht nicht den Anforderungen des Gesetzes.
BGB §§ 312 Abs. 2, 312c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2, 357; BGB-InfoV § 1 Abs. 1 Nr. 10, Anlage 2 zu 14 Abs. 1; EGBGB Art. 240
Leitsätze:*1. Eine Widerrufsbelehrung, die lediglich über die
Pflichten des Verbrauchers im Falle des Widerrufs, nicht jedoch über dessen
wesentliche Rechte informiert, entspricht nicht den Anforderungen des Gesetzes.
2. Der Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche
und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung
(BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - Az. I ZR 55/00, ZIP 2002, 1730, 1731).
Eine diesen Anforderungen genügende Information über die Rechtsfolgen
des § 357 Abs. 1 und 3 BGB kann sich nicht darauf beschränken, allein die
Pflichten des Verbrauchers wiederzugeben, denn zu den in § 357 Abs. 1 BGB
geregelten Rechtsfolgen gehören ebenso Rechte des Verbrauchers. Auch
§ 355 Abs. 1 BGB fordert, dass der Verbraucher über seine Rechte informiert wird.
3. Nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB muss der Unternehmer unter anderem die Informationen zur
Verfügung stellen, für die dies in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt ist. Nach § 1 Abs.
1 Nr. 10 BGB-InfoV muss der Verbraucher über die Rechtsfolgen des Widerrufs
oder der Rückgabe, einschließlich der Informationen über den Betrag, den der
Verbraucher im Falle des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1
des Bürgerlichen Gesetzbuches für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat,
informiert werden.
4. Der Schutzzweck des § 357 Abs. 1 und Abs. 2 BGB erfordert jedenfalls eine Belehrung
über die wesentlichen Rechte, die sich aus den Vorschriften über den gesetzlichen
Rücktritt ergeben. Dazu gehört, dass auch der Unternehmer die empfangenen
Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen herauszugeben hat.
Dementsprechend sieht auch das Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV den
Text vor: "Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen
Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen)
herauszugeben." Informiert eine Widerrufsbelehrung demgegenüber lediglich darüber,
dass der Verbraucher die Pflicht zur Rückgewähr und zur Herausgabe gezogener Nutzungen
hat, ist dies eine einseitige Darstellung, die geeignet ist, Unsicherheit beim Verbraucher
darüber hervorzurufen, inwieweit der Unternehmer in gleicher Weise verpflichtet
ist. Eine solche Belehrung wird dem Ziel, den Verbraucher möglichst unmissverständlich zu belehren,
nicht gerecht. Diesem drängt sich die unbeantwortete Frage auf, wieso nur seine
Verpflichtung zur Rückgabe und nicht die des Unternehmers zur Rückzahlung erwähnt
wird. Insbesondere wird ihm die Information vorenthalten, dass auch der Unternehmer
die gezogenen Nutzungen, z.B. Zinsen, herauszugeben hat.
MIR 2007, Dok. 208
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 26.05.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/710
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