Rechtsprechung
Hanseatisches OLG, Urteil vom 05.12.2006 - Az. 7 U 90/06
"Wer wird Millionär?" - Zur Zulässigkeit der einwilligungsfreien (lizenzfreien) Nutzung von Fotos prominenter Personen (hier: ein Quiz-Show-Moderator) auf dem Titelblatt von (Rätsel-) Zeitschriften.
KUG § 23 Abs. 1, GG Art. 5 Abs. 1
Leitsätze:*1. Auf die Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 1 KUG kann sich derjenige nicht berufen,
der mit der Veröffentlichung keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit
nachkommt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken
lediglich sein Geschäftsinteresse befriedigen will. Daher braucht im
Grundsatz niemand zu dulden, dass sein Bildnis ohne seine Einwilligung zur
Werbung für Waren oder gewerbliche Leistungen ausgenutzt wird.
2. Die Verwendung eines Bildnisses (hier: das Foto des bekannten Moderators der Fernseh-Quiz-Show
"Wer wird Millionär?") auf dem Titelblatt einer Zeitschrift erfüllt zumindest auch die
Funktion, den Absatz dieser Zeitschrift zu fördern;
freilich hat jede dort abgebildete Veröffentlichung auch werblichen Charakter.
Zur Bewertung ihrer Zulässigkeit ist daher jeweils eine Abwägung zwischen
den widerst reitenden grundrechtlich geschützten Interessen des Abgebildeten
einerseits und dem durch die Pressefreiheit geschützten Informationsinteresse
der Öffentlichkeit andererseits vorzunehmen.
3. Auch eine Rätselzeitschrift/ein Rätselheft, welches ganz überwiegend Unterhaltungsinteressen dient,
steht unter dem Schutz der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Pressefreiheit, da auch sein
Inhalt im weiteren Sinne die Wissensvermehrung fördert und der Meinungsbildung dient.
4. Üblicherweise besteht der Informationswert eines Titelblattes (und der dort in die Gestaltung aufgenommen
Abbildungen) darin, auf eine Berichterstattung im Innern des Heftes hinzuweisen. Bezieht sich demgegenüber
ein Abbild einer prominenten Person auf der Titelseite eines Heftes nicht auf einen informierenden Beitrag - etwa
über diese Person - im Innern des jeweiligen Heftes, so kann bereits in Zweifel zu ziehen sei, ob die Abbildung
des Betroffenen überhaupt ein Informationsinteresse zu befriedigen vermag.
5. Befriedigt die Titelseite einer Zeitschrift, in deren Gestaltung die Abbildung einer prominenten Persönlichkeit
einbezogen wurde, durch eine auf die Abbildung bezogene Bildunterschrift ein Informationsinteresse in-soweit,
als das durch die Benennung einer, wenn auch weitgehend bekannten Tatsache, zur Meinungsbildung - wenn auch nur
in bescheidenem Umfang - beigetragen wird (hier: Der Hinweis auf die von dem betroffenen Moderator moderierte
Quiz-Show "Wer wird Millionär?" und die Bezeichnung dieser als Beleg dafür, dass ein Quiz spannend sein kann),
unterliegt eine solche Aussage dem Bereich der Pressefreiheit und verdient gegenüber dem Bildnisrecht des
Betroffenen und insbesondere seinem Recht an der kommerziellen Nutzung seines Bildnisses Vorrang.
MIR 2007, Dok. 193
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 19.05.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/695
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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