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Rechtsprechung



OLG Dresden, Urteil vom 28.11.2006 - Az. 14 U 1071/06

Virtual Personal Videorecorder - Die Speicherung und Überlassung von Sendungen an Dritte im Rahmen eines entsprechenden Internetangebots stellt eine unzulässige Vervielfältigung dar und verletzt das Senderecht der jeweiligen Sendeunternehmen.

UrhG §§ 15 Abs. 2 Nr. 3, 16, 19a, 20, 44a, 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Alt. 2

Leitsätze:*

1. Die Speicherung und Überlassung von Sendungen (hier: Fernsehsendungen) an Dritte im Rahmen eines entsprechenden Internetangebots (Virtual Personal Videorecorder) stellt eine unzulässige Vervielfältigung dar und verletzt das Senderecht der jeweiligen Sendeunternehmen.

2. Ein Eingriff in das Weitersenderecht (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, 15 Abs. 2 Nr. 3, 20 UrhG) scheidet aus, wenn eine zeitverschobene Weitersendung erfolgt (hier: Im Wege des sog. Streaming). Denn unter dem Begriff der "Weitersendung" ist nur eine gleichzeitige Weitersendung zu verstehen. Erfolgt die Abgabe eines Datenstroms über das Internet aber nicht zeitgleich (so im Fall des Streaming), sondern zeitversetzt, was darauf zurückzuführen ist, dass es aufgrund der erforderlichen Aufbereitung des Sendesignals für die Weiterleitung zu Zeitverzögerungen kommt, liegt damit keine Weitersendung i.S.d. Urheberrechts vor.

3. Ein Eingriff in das vom Senderecht umfasste Recht auf öffentliche Zugänglichmachung (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a UrhG) liegt noch nicht allein durch die Ermöglichung des Abrufs einer Sendung über das Internet von Orten nach der Wahl des Nutzers vor. Zwar kann hier das Merkmal des "Zugänglichmachens" durch die Möglichkeit eines interaktiven Abrufs verwirklicht werden. Gleichwohl fehlt es aber dann an einem Zugänglichmachen gegenüber der Öffentlichkeit, wenn die betreffende Sendung nur dem jeweiligen Kunden des Betreibers eines "Virtual Personal Videorecorders" , der die Sendung auch aufgezeichnet hat, zum interaktiven Abruf zugänglich gemacht wird. Jedenfalls bezieht sich das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG (ebenso wie die übrigen Nutzungsrechte) aber immer nur auf jeweils ein konkretes Werk, das Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss, so dass es auch im Rahmen des § 19a UrhG einer Öffentlichkeit i.S.d. § 15 Abs.3 UrhG bedarf. Eine Zugänglichmachung ist somit nur öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist (hier: Der Zugang war nur mittels eines entsprechenden Zugangscodes für eine bestimmte Person und eine bestimmte Sendung möglich).

4. Die Speicherung von Sendungen auf einem Server über das Internet und die Bereitstellung zum späteren Abruf durch den jeweiligen Nutzer (hier: mittels eines sog. virtuellen Personal Videorecorder) fällt unter den Begriff der Vervielfältigung i.S.d. § 16 UrhG. Vervielfältigung ist jede körperliche Festlegung eines Werks, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen. Unerheblich ist die Vervielfältigungstechnik sowie die Art und Anzahl der Zwischenschritte, die zur letztendlichen Wahrnehmung notwendig sind. Die Fixierung der digitalen bzw. digitalisierten Sendeimpulse auf den Speichermedien eines Servers stellt eine körperliche Festlegung dar, die dadurch sinnlich wahrnehmbar ist, dass die Sendeimpulse durch das Herunterladen auf einen PC und die dortige Umsetzung in eine schnelle Folge optisch wahrnehmbarer Bildschirmanzeigen angesehen werden können.

5. Im Fall eines virtuellen Personal Videorecorders kommt die Anwendung der Schranke des § 44a UrhG nicht in Betracht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Aufzeichnungen nicht nur vorübergehend und flüchtig (so etwa die Abspeicherung im Arbeitspeicher eines Computers) oder lediglich begleitend, d.h. beiläufig eines technischen Vefahrens nur vorübergehend, gespeichert werden (so etwa beim sog. Caching, um bei erneutem Zugriff Übertragungszeit zu sparen) und wenn der Vervielfältigung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt.

6. Eine Privilegierung nach § 53 Abs. 1 S.1 UrhG kommt nur dann in Betracht, wenn die Vervielfältigungen zum Zwecke des privaten Gebrauchs selbständig ohne Einschaltung eines Dritten herstellt werden, wie dies bei der Anfertigung von Fotokopien oder aber der Aufzeichnung von Fernsehsendungen durch einen häuslichen Videorekorder der Fall ist. Privater Gebrauch kann hierbei nur durch eine natürliche Person erfolgen und darf nicht Erwerbszwecken dienen. Dies ist im Fall des Virtuellen Personal Videorecorders nicht gegeben, da hier die Vervielfältigungen nicht von den Endnutzern, sondern von dem Betreiber des Dienstes hergestellt werden. Auf eine formal begriffliche, technische Betrachtung ("Wer drückt auf den Knopf?") kommt es dabei nicht an. Ein Dritter darf im Rahmen des § 53 Abs. 1 S.1 UrhG nicht einmal als Werkzeug eingesetzt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass der Betreiber bei einem derartigen Geschäftsmodell dem Endnutzer die Vervielfältigung durch den Empfang der Sendung beschafft.

MIR 2007, Dok. 128


Download: Entscheidungsvolltext PDF


Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 07.04.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/630

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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