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Kurz notiert



Bundesgerichtshof

Prinz und Prinzessin von Hannover ./. div. Verlage: Neue Entscheidungen zur Veröffentlichung von Bildern prominenter Personen (der Zeitgeschichte)

BGH, Urteile vom 6.03.2007 – Az. VI ZR 13/06 ; 14/06 ; 50/06 ; 51/06 ; 52/06 ; 53/06

MIR 2007, Dok. 089, Rz. 1


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Der unter anderem für Ansprüche aus Verletzung des Rechts am eigenen Bild zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte erneut über das Verhältnis von Privatsphäre und Pressefreiheit zu entscheiden.

Zur Sache
Kläger sind Prinz und Prinzessin von Hannover. Beklagte sind verschiedene Presseverlage.

Die beklagten Verlage haben in mehreren von ihnen verlegten Zeitschriften verschiedene Artikel über die Klägerin und ihren Ehemann veröffentlicht, die u. a. mit Aufnahmen dieser beiden Personen bebildert waren. Die Fotografien sind sämtlich während verschiedener Urlaubsaufenthalte der Abgebildeten aufgenommen worden und zeigen die Kläger auf belebter Straße oder in einem Sessellift. Die Kläger begehren Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der beanstandeten Aufnahmen.

Das Landgericht hate den Klagen im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 24. Juni 2004 stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klagen abgewiesen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Schutz der Privatsphäre der Abgebildeten hinter dem mit der Pressefreiheit verwirklichten Informationsinteresse der Allgemeinheit zurücktrete, wenn die veröffentlichte Aufnahme die abgebildete Person in der Öffentlichkeit zeige. Deshalb hatte sich der BGH nunmehr mit den Verfahren zu befassen.

Spannungsverhältnis zwischen Art. 1, Art. 2 und Art. 5 GG
Innerhalb des deutschen (Presse-) Rechts besteht ein permanentes Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten des Einzelnen aus Art. 1 und 2 GG und den Grundrechten des Art. 5 GG.

Einerseits: Anspruch der Ă–ffentlichkeit auf Unterrichtung ĂĽber das Zeitgeschehen
Einerseits hat die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf, über das Zeitgeschehen unterrichtet zu werden und damit über alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. Deshalb darf grundsätzlich die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben hierüber berichten, wobei sie keiner Zensur unterliegt und nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden darf, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält.

Andererseits: Interessenabwägung des von der Berichterstattung Betroffenen
Andererseits muss aber stets die geschützte Privatsphäre desjenigen beachtet werden, über den die Presse berichten will, so dass es stets einer Interessenabwägung bedarf.

BGH: Auch bei Personen der Zeitgeschichte ist im Rahmen der Interessenabwägung der Informationswert der Berichterstattung in Ansatz zu bringen.
Im Rahmen dieser Interessenabwägung könne unter Berücksichtigung des Urteils des EGMR vom 24. Juni 2004 für den Informationsanspruch der Öffentlichkeit auch bei den so genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte der Informationswert der Berichterstattung nicht außer Betracht bleiben, betonte der BGH. Der erkennende Senat habe schon mehrfach ausgesprochen, dass der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer wiegt, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Das müsse im Grundsatz auch für Personen mit hohem Bekanntheitsgrad gelten, so dass es auch hier eine Rolle spiele, ob die Berichterstattung zu einer Debatte mit einem Sachgehalt beiträgt, der über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgeht. Das schließe es nicht aus, dass im Einzelfall für den Informationswert einer Berichterstattung der Bekanntheitsgrad des Betroffenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall sei bei der Beurteilung des Informationswerts bzw. der Frage, ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt, ein weites Verständnis sowie die Einbeziehung der zugehörigen Wortberichterstattung geboten, damit die Presse ihren meinungsbildenden Aufgaben gerecht werden kann, die nach wie vor von größter Bedeutung sind.

Entscheidung in den konkreten Fällen
Für die entschiedenen Fälle führe das dazu – so der BGH -, dass nur diejenigen Fotos zulässig sind, die im Zusammenhang mit der Wortberichterstattung über die Erkrankung des damals regierenden Fürsten von Monaco veröffentlicht worden sind. Bei dieser Erkrankung handele es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis, über das die Presse berichten dürfe. Auf den redaktionellen Gehalt und die Gestaltung des Artikels komme es nicht an, da die Garantie der Pressefreiheit es nicht zulasse, das Eingreifen dieses Grundrechts von der Qualität des Presseerzeugnisses abhängig zu machen. Dies gelte auch, soweit der Artikel das Verhalten von Familienmitgliedern während der Krankheit des Fürsten betrifft, zumal die Zulässigkeit der Wortberichterstattung von der Revision nicht in Frage gestellt wird.

Den anderen Texten war hier keinerlei Beitrag zu einem Thema von allgemeinem Interesse zu entnehmen, so dass die zugehörigen Abbildungen in Ermangelung eines objektiven Informationswerts ohne Einwilligung der Abgebildeten unzulässig waren. Das gelte für die Berichterstattung über den Urlaub der Kläger in St. Moritz sowie über eine Geburtstagsfeier und schließlich auch für Abbildungen im Zusammenhang mit einem Bericht über die Vermietung einer Villa der klagenden Eheleute in gleicher Weise.

(tg) – Quelle: PM Nr. 34/2007 des BGH vom 6.03.2007

Anm. der Redaktion: Die Entscheidungen des BGH betrafen folgende Vorinstanzen: LG Hamburg – 324 O 871/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 84/05 – Entscheidung vom 13. Dezember 2005; LG Hamburg – 324 O 870/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 85/05 – Entscheidung vom 13. Dezember 2005; LG Hamburg – 324 O 872/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 87/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006; LG Hamburg – 324 O 873/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 88/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006; LG Hamburg – 324 O 869/04 Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 82/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006; LG Hamburg – 324 O 868/04 – Entscheidung vom 1. Juli 2005 ./. Hanseatisches OLG Hamburg - 7 U 81/05 – Entscheidung vom 31. Januar 2006

Online seit: 06.03.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/591
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