Kurz notiert // Markenrecht
Landgericht München I
Spezi - Gericht sieht Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung im Limo-Streit zwischen Paulaner und Riegele als fortbestehend an
LG München I, Urteil vom 11.10.2022 - 33 O 10784/21
MIR 2022, Dok. 076, Rz. 1
1
Im "Limo-Streit" zwischen den Brauereien Paulaner und Riegele hat das Landgerichts München I mit Urteil vom 11.10.2022 (33 O 10784/21) festgestellt, dass die getroffene Vereinbarung zur Berechtigung der Nutzung der Bezeichnung "PAULANER Spezi" für ein Mischgetränk aus Limonade und Cola aus dem Jahr 1974 fortbesteht. Damit darf die Klägerin (Paulaner) die Bezeichnung "PAULANER Spezi" weiter nutzen. Auf die Frage, ob es sich bei "Spezi" zwischenzeitlich um einen Gattungsbegriff handele o.ä kam es daher in dem Verfahren nach den gegebenen Informationen nicht mehr an.
Zur Sache:
Die beklagte Brauerei Riegele aus Augsburg hatte vorgerichtlich die Rechtsnachfolge der Klägerin (Paulaner) hinsichtlich des Vertrags von 1974 bezweifelt und zudem die Kündigung der Vereinbarung erklärt. Sie begehrte den Abschluss einer neuen Lizenzvereinbarung. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer Feststellungsklage. Erfolgreich. Das LG München I gab der Klage statt.
Entscheidung des Gerichts: Rechtsnachfolge gegeben - Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung aus 1974 besteht fort
Das Gericht erkannte die klägerische Brauerei als Rechtsnachfolgerin an. Zudem erachtete sie die Vereinbarung von 1974 als weiterhin wirksam und fortbestehend.
Zur Überzeugung des Gerichts sei die Vereinbarung von 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung auszulegen. Hierfür spreche bereits, dass die ursprünglich vorgesehene Überschrift des Vertragsdokuments noch vor Vertragsunterzeichnung von "Lizenzvertrag" in "Vereinbarung" abgeändert worden sei, sowie weitere Begleitumstände des Vertragsschlusses. Mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 sei eine endgültige Beilegung bestehender Streitigkeiten zwischen den Parteien beabsichtigt gewesen. Im Vertrauen auf die endgültige Beilegung habe die Klägerin erhebliche Investitionen in den Aufbau ihrer Marke getroffen.
Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen nicht ordentlich kündbar
Nach Auffassung des Gerichts sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar. Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte könne durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden. Das hiernach berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen bestehe deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn – wie im Streitfall – mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt worden sei, und die Parteien eben im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt hätten.
Kein Anlass für eine außerordentliche Kündigung - Vertragsreue reicht nicht
Für eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte habe die Klägerin keinen Anlass gegeben, da sie sich stets vertragstreu verhalten habe, so das Gericht. Die Klägerin halte die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein. Eine Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue stelle keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.
Die im Rahmen einer Widerklage geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche der Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz wies die Kammer wegen des Fortbestehens der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 zwischen den Parteien als unbegründet zurück. Die insoweit weitergehende markenrechtliche Beurteilung (etwa zur Frage der Gattungsberzeichnung) erübrigte sich damit.
Das Urteil ist (im Zeitpunkt der Veröffentlichung, 11.10.2022) nicht rechtskräftig.
(tg) - Quelle: PM Nr. 24/22 des LG München I vom 11.10.2022 (redigiert)
Zur Sache:
Die beklagte Brauerei Riegele aus Augsburg hatte vorgerichtlich die Rechtsnachfolge der Klägerin (Paulaner) hinsichtlich des Vertrags von 1974 bezweifelt und zudem die Kündigung der Vereinbarung erklärt. Sie begehrte den Abschluss einer neuen Lizenzvereinbarung. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit einer Feststellungsklage. Erfolgreich. Das LG München I gab der Klage statt.
Entscheidung des Gerichts: Rechtsnachfolge gegeben - Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung aus 1974 besteht fort
Das Gericht erkannte die klägerische Brauerei als Rechtsnachfolgerin an. Zudem erachtete sie die Vereinbarung von 1974 als weiterhin wirksam und fortbestehend.
Zur Überzeugung des Gerichts sei die Vereinbarung von 1974 nicht als Lizenzvertrag, sondern als Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarung auszulegen. Hierfür spreche bereits, dass die ursprünglich vorgesehene Überschrift des Vertragsdokuments noch vor Vertragsunterzeichnung von "Lizenzvertrag" in "Vereinbarung" abgeändert worden sei, sowie weitere Begleitumstände des Vertragsschlusses. Mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 sei eine endgültige Beilegung bestehender Streitigkeiten zwischen den Parteien beabsichtigt gewesen. Im Vertrauen auf die endgültige Beilegung habe die Klägerin erhebliche Investitionen in den Aufbau ihrer Marke getroffen.
Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen nicht ordentlich kündbar
Nach Auffassung des Gerichts sind markenrechtliche Koexistenz- und Abgrenzungsvereinbarungen - im Gegensatz zu Lizenzverträgen - nicht ordentlich kündbar. Denn die Schutzdauer eingetragener Markenrechte könne durch einfache Gebührenzahlung unbegrenzt verlängert werden. Das hiernach berechtigte Bedürfnis nach einer Abgrenzung der Benutzungsbefugnisse für (tatsächlich oder vermeintlich) verwechslungsfähige Zeichen bestehe deshalb ebenfalls regelmäßig zeitlich unbegrenzt, zumal wenn – wie im Streitfall – mit dem Abschluss der Koexistenz- bzw. Abgrenzungsvereinbarung eine endgültige Beilegung bestehender Meinungsverschiedenheiten beabsichtigt worden sei, und die Parteien eben im Anschluss an diese Vereinbarung im Vertrauen auf deren Bestand vorhersehbar erhebliche Investitionen in ihren jeweiligen Markenaufbau getätigt hätten.
Kein Anlass für eine außerordentliche Kündigung - Vertragsreue reicht nicht
Für eine außerordentliche Kündigung durch die Beklagte habe die Klägerin keinen Anlass gegeben, da sie sich stets vertragstreu verhalten habe, so das Gericht. Die Klägerin halte die vertraglichen Vereinbarungen unbestritten ein. Eine Jahrzehnte nach Abschluss der Vereinbarung eingetretene Vertragsreue stelle keinen wichtigen Grund im Rechtssinne dar.
Die im Rahmen einer Widerklage geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche der Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz wies die Kammer wegen des Fortbestehens der Vereinbarung aus dem Jahr 1974 zwischen den Parteien als unbegründet zurück. Die insoweit weitergehende markenrechtliche Beurteilung (etwa zur Frage der Gattungsberzeichnung) erübrigte sich damit.
Das Urteil ist (im Zeitpunkt der Veröffentlichung, 11.10.2022) nicht rechtskräftig.
(tg) - Quelle: PM Nr. 24/22 des LG München I vom 11.10.2022 (redigiert)
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 11.10.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3219
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