Rechtsprechung
LG München I, Urteil vom 15.11.2006 - 1 HK O 7890/06
Internet-Patientenauktion für Zahnarztleistungen - Der Betrieb eines "Marktplatzes für Zahnarztleistungen" im Internet ist wettbewerbswidrig.
UWG § 3, § 4 Nr. 11, 6 Abs. 2 Nr. 2, Berufsordnung für Bayrische Zahnärzte § 8 Abs. 2, Abs. 5, § 21 Abs. 1
Leitsätze:*1. Der Betrieb einer Internetplattform, auf der registrierte Patienten/User für sich erstellte, zahnärztliche
Heil- und Kostenpläne bzw. Kostenvoranschläge ihrer Zahnärzte einstellen, diese von anderen Zahnärzten bewerten und "unterbieten"
lassen können und nach Ablauf einer gewissen Laufzeit so die günstigsten "Angebote" ermittelt werden, verstößt gegen § 8 Abs. 2
und Abs. 5 und § 21 Berufsordnung für Bayrische Zahnärzte (im folgenden BO), wobei es sich dabei um Vorschriften handelt, die
gem. § 4 Nr. 11 UWG auch dazu bestimmt sind, das Marktverhalten zu regeln.
2. Auch bei wettbewerbsrechtlich relevanten Verboten, die sich nur gegen eine bestimmte Berufsgruppe richten (hier: Zahnärzte),
kann der Betreiber einer Internetplattform wegen der Zur-Verfügung-Stellung der Plattform als Teilnehmer an einer berufsordnungswidrigen
unerlaubten Handlung in Anspruch genommen werden, zu der er anstiftet oder Beihilfe leistet. Diese Begriffe aus dem allgemeinen
Deliktsrecht (§ 830 Abs. 2 BGB) sind im Rahmen des wettberbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs anwendbar.
3. Die sich an einer "Auktion von Zahnarztleistungen" beteiligenden Zahnärzte verhalten sich gem. § 8 Abs. 2 BO berufsunwürdig
und "unlauter" im Sinne der Vorschrift.
4. Die Teilnahme an einem "Marktplatz für Zahnarztleistungen" im Internet stellt eine berufswidrige Werbung i.S.d. § 21 Abs. 1 BO
dar. Dem Zahnarzt ist in der Aufzählung in § 21 Abs. 1 BO - die nicht abschließend ist - "insbesondere" anpreisende, irreführende, herabsetzende oder
vergleichende Werbung verboten. Hierzu zählt auch das Herausstellen einzelner Leistungen mit und ohne Preis außerhalb der
Praxis. Ein solcher Fall liegt bei einem Bieten mit Leistungen und Preis im Rahmen einer Internetauktion vor.
5. Eine insoweit vergleichende Werbung von Zahnärzten verstößt auch gegen das Sachlichkeitsgebot des § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG, da die
Kostenschätzung der teilnehmenden Zahnärzte ohne Untersuchung des Patienten abgegeben wird und daher nicht "objektiv" im Sinne dieser
Vorschrift ist.
6. § 8 Abs. 5 BO verbietet es dem Zahnarzt, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt zu versprechen oder zu gewähren. Diese Vorschrift
richtet sich allerdings auch an den Vorteilsgewährer.
Lässt sich der Betreiber eines "Marktplatzes für Zahnarztleistungen" von dem teilnehmenden Zahnarzt, mit dem aufgrund der Teilnahme
an der "Auktion" ein Behandlungsvertrag zustande kommt, ein Entgelt/eine Provision von 20% bezahlen, liegt hierin ein Verstoß gegen
§§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 8 Abs. 5 BO.
MIR 2007, Dok. 015
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.01.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/517
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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