Rechtsprechung // Zivilrecht
BGH, Urteil vom 02.10.2025 - III ZR 173/24
E-Commerce Master Club - Zur Anwendung des FernUSG auf einen sogenannten Online-Coaching-Vertrag und zur Nichtigkeit eines solchen Vertrages mangels ZFU-Zulassung
FernUSG §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 7 Abs. 1, 12 Abs. 1; BGB §§ 13, 14
Leitsätze:*1. Die Begriffe "Kenntnisse" und "Fähigkeiten" in § 1 Abs. 1 FernUSG sind - unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm und der Intention des Gesetzes - weit auszulegen. Die Norm spricht insoweit die Vermittlung "jeglicher" Kenntnisse und Fähigkeiten - "gleichgültig welchen Inhalts" - an. Eine irgendwie geartete "Mindestqualität" der Kenntnisse oder Fähigkeiten ist nicht erforderlich. (wird ausgeführt; vgl. BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24, MIR 2025, Dok. 051).
2. Das Tatbestandsmerkmal der zumindest überwiegenden räumlichen Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG) ist gegeben, wenn der Schwerpunkt eines Vertrags in dem lebenslangen Zugriff auf einen aus sechs Modulen bestehenden Videokurs, auf den der Zugriff in einem "Mitgliederbereich" eingeräumt wird, sowie in den als Bonus angebotenen Videos "zu diversen wichtigen Themen", liegt. Dann sind diese Inhalte als asynchron zu werden und erfüllen die Voraussetzung einer „räumlichen Trennung“ (BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24, MIR 2025, Dok. 051, hier offengelassen, ob bei Online-Schulungen das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden räumlichen Trennung in jedem Fall erfüllt ist).
3. Das Tatbestandsmerkmal der Überwachung des Lernerfolgs (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG) ist weit auszulegen und es ist dabei ausreichend, wenn eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist, die eine Lernerfolgskontrolle ermöglicht (BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24, MIR 2025, Dok. 051, BGH, Urteil vom 15.10.2009 - III ZR 310/08). Dazu genügt es, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff, eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten (BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24, MIR 2025, Dok. 051, BGH, Urteil vom 15.10.2009 - III ZR 310/08). Dabei ist es nicht erforderlich, dass vom Lehrenden (Kontroll-)Fragen gestellt werden, die vom Teilnehmer zu beantworten sind. Vielmehr genügt es, dass dem Teilnehmer ein auf das eigene Verständnis des erlernten Stoffs bezogenes Fragerecht vertraglich eingeräumt ist, wodurch der Teilnehmer eine persönliche Lernkontrolle herbeiführen und überprüfen kann, ob er die vermittelten Inhalte zutreffend erfasst hat und richtig anwenden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24, MIR 2025, Dok. 051).
4. § 7 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 FernUSG sind auf auch dann auf einen (Coaching-Vertrag (hier: zu einem „E-Commerce Master Club“) anwendbar, wenn eine Partei diesen nicht als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, sondern als Unternehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB abgeschlossen hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24, MIR 2025, Dok. 051).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 23.10.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3509
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