Rechtsprechung
KG Berlin, Beschluss vom 5.12.2006 - Az. 5 W 295/06
"Widerrufsbelehrung bei Fernabsatz von Waren im Internet II" - Die Widerrufsfrist bei eBay-Geschäften beträgt grundsätzlich 1 Monat. Das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 InfoV abgedruckte "Muster für die Widerrufsbelehrung" gilt nicht für Widerrufsbelehrungen im Rahmen von eBay-Geschäften.
BGB § 126b, § 312c Abs. 1 Satz 1, § 312d, § 355, ; BGB-InfoV § 1 Abs. 1 Nr. 10; BGB-InfoV Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3; EGBGB Art. 240; UWG § 3, § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1, § 12
Leitsätze:*1. Wer als Unternehmer Waren über das Internet in der Weise absetzt, dass er dem Verbraucher erst nach Vertragsschluss
gemäß § 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB die Widerrufsbelehrung in Textform mitteilt, muss, wenn er gemäß § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB
vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers eine Widerrufsbelehrung im Internet zur Verfügung stellt, die Widerrufsfrist
dort mit einem Monat angeben, welche frühestens mit Mitteilung einer deutlich gestalteten Widerrufsbelehrung in Textform
(§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) und nicht vor Erhalt der Ware (§ 312d Abs. 2 BGB) beginnt.
2. Das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 InfoV abgedruckte "Muster für die Widerrufsbelehrung" gilt nur für Widerrufsbelehrungen,
die dem Verbraucher in Textform mitgeteilt werden. Stellt demgegenüber ein Unternehmer eine Widerrufsbelehrung lediglich ins
Internet und entspricht diese Belehrung nicht den dafür einschlägigen gesetzlichen Vorgaben, so lässt sich ein Vorwurf wettbewerbswidrigen
Handelns nicht mit dem Hinweis entkräften, die Belehrung folge den Vorgaben besagten Musters
(Fortführung von KG NJW 2006, 3215 =
MIR Dok. 122-2006 - Widerrufsbelehrung bei Fernabsatz von Waren im Internet I).
3. Die Dauer der Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge ist in § 312d Abs. 1 i.V. mit § 355 BGB geregelt und beträgt zwar
grundsätzlich zwei Wochen (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB), abweichend davon jedoch dann einen Monat, wenn die in Textform mitzuteilende
Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss mitgeteilt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB).
4. "Textform" erfordert gemäß § 126b BGB unter anderem, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften
Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben ist. Danach ist die in einem Internetauftritt zu findende
Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine solche, die dem Verbraucher in "Textform" mitgeteilt wird. Denn bei Texten, die in das Internet
eingestellt, dem Empfänger aber nicht (beispielsweise per E-Mail) übermittelt worden sind, ist § 126b BGB nur gewahrt, wenn
es tatsächlich zur Perpetuierung der Erklärung beim abrufenden Verbraucher (Ausdruck der Seite oder Download, d.h. Abspeicherung
auf der eigenen Festplatte) kommt.
5. Stellt die Widerrufsbelehrung in einem Internetauftritt noch keine Mitteilung "in Textform" gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB
dar, so ist bei dem Fernabsatz von Waren im Rahmen von eBay-Geschäften (bzw. derartig strukturierten Internetauktionen) mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Belehrung erst nach (jedenfalls nicht vor) Vertragsschluss in
Textform mitgeteilt wird, da bei eBay die Waren im Rechtssinne verbindlich angeboten werden, mit der Folge, dass mit der Abgabe
der entsprechenden Erklärung des Verbrauchers ein Kaufvertrag geschlossen wird.
6. Das amtliche Muster in Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV setzt - unabhängig davon, ob es um eine Belehrung nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB
oder um eine solche nach § 312c Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB geht - stets eine Belehrung in Textform voraus. Denn das Muster ist
bezeichnet als "Anlage 2 (zu § 14 Abs. 1 und 3)", und § 14 Abs. 1 BGB-InfoV stellt darauf ab, dass das Muster der Anlage 2
"in Textform" verwandt wird. Die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Satz 2 BGB-InfoV ermöglicht es dem Unternehmer, das "in § 14" bestimmte
Muster (also gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV: in Textform!) zu verwenden. Das Muster kommt bei einer lediglich ins Internet
gestellten Belehrung demnach von vornherein nicht zum Tragen. Käme es zum Tragen, griffe überdies der "Gestaltungshinweis zu 1", wonach
bei einer Belehrung erst nach Vertragsschluss statt der Zweiwochenfrist eine Monatsfrist zu setzen ist.
7. Die lediglich ins Internet gestellte Passage mit einer "Widerrufsbelehrung" ist keine Belehrung, die dem Verbraucher vor
Vertragsschluss "mitgeteilt" wird. Die Belehrung wird dem Verbraucher vielmehr lediglich (i.S. von § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB)
"zur Verfügung gestellt".
8. Eine
Formulierung, in der es heißt, dass die Frist (zum Widerruf) frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung beginnt, ist als
Information über die Bedingungen der Ausübung des Widerrufs für den Verbraucher entgegen § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 240
EGBGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoVO nicht klar und verständlich.
Denn Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn ist in erster Linie gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB die Mitteilung der Widerrufsbelehrung
in Textform (weitere Anknüpfungspunkte finden sich in § 312d Abs. 2 BGB). Mit Erhalt einer lediglich ins Internet gestellten Belehrung
beginnt die Frist aber noch (gemäß § 312d Abs. 2 BGB) nicht zu laufen, da keine Textform vorliegt.
Bezogen auf den Erhalt der Widerrufsbelehrung als Mindestvoraussetzung zur Fristauslösung muss richtigerweise also angeführt
werden, dass die Frist frühestens mit Erhalt einer in Textform noch gesondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung zu laufen beginnt.
Insoweit hilft es einem Verwender nicht, dass sich die (Widerrufs-) Belehrung an dem amtlichen Muster orientiert. Denn dieses
Muster gilt - wie ausgeführt - nur für Belehrungen in Textform. Der Wortlaut des Musters ist in mehrfacher Hinsicht von vornherein
ungeeignet, wenn gemäß § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB vor Vertragsschluss Informationen über ein Widerrufsrecht nicht in Textform mitgeteilt,
sondern lediglich in einem Internetauftritt zur Verfügung gestellt werden.
MIR 2007, Dok. 007
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 07.01.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/509
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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