Rechtsprechung
BGH, Urteil vom 26.10.2006 - Az. I ZR 37/04
"Goldhase" - Zum Markenschutz einer aus einer Form, einer Farbe, Wort- und Bildbestandteilen sowie sonstigen Ausstattungselementen zusammengesetzten dreidimensionalen Marke (hier: "Lindt-Goldhase").
Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b
Leitsätze:*1. Es besteht kein Erfahrungssatz dahingehend, dass der Gesamteindruck einer aus einer Form, einer Farbe, Wort- und
Bildbestandteilen sowie sonstigen Ausstattungselementen zusammengesetzten dreidimensionalen Marke unabhängig von der
konkreten Anordnung und Gestaltung dieser Elemente regelmäßig durch den Wortbestandteil bestimmt wird.
2. Form und Farbe einer derart zusammengesetzten Marke kann bei einer (durch Benutzung) gesteigerten Kennzeichnungskraft
eine den Gesamteindruck (mit)bestimmende Bedeutung zukommen.
3. Das Bestehen von Verwechslungsgefahr i.S. von Art. 9 Abs. 1 Satz 2 lit. b GMV ist unter Berücksichtigung aller relevanten
Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen. Nach der siebten Begründungserwägung der Verordnung (EG) Nr. 40/94
des Rates vom 30. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. Nr. L 11 vom 14.1.1994, S. 1) hängt das Vorliegen von
Verwechslungsgefahr insbesondere von dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung,
die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der
Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen ab (vgl. EuGH, Urt.
v. 12.1.2006 - C-361/04 P, GRUR 2006, 237 Tz. 18 - PICASSO/PICARO; Urt. v. 23.3.2006 - C-206/04 P, GRUR 2006,
413 Tz. 17/18 - ZIRH; BGH, Urt. v. 7.10.2004 - I ZR 91/02, GRUR 2005, 427, 429 = WRP 2005, 616 - Lila-Schokolade, m.w.N.).
4. Bei der Beurteilung hinsichtlich der Ähnlichkeit der Zeichen im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist auf den
Gesamteindruck abzustellen, den die Zeichen hervorrufen (EuGH, Urt. v. 11.11.1997 - C-251/95, Slg. 1997, I-6191 Tz.
23 = GRUR 1998, 387 = WRP 1998, 39 - Sabèl; EuGH GRUR 2006, 237 Tz. 19 - PICASSO/PICARO).
Bei der Ermittlung des Gesamteindrucks einer Marke ist die eingetragene Kombination der
Warenform mit den weiteren Ausstattungsmerkmalen zugrunde zu legen. Dieser Ansatz beachtet nicht nur den Grundsatz,
dass für den Umfang des Schutzes einer eingetragenen Marke der Gegenstand der Eintragung maßgeblich ist
(vgl. BGHZ 153, 131, 142 - Abschluss-stück, m.w.N.), sondern berücksichtigt auch den Erfahrungssatz, dass der
Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten
achtet (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 Tz. 23 - Sabèl; EuGH, Beschl. v. 28.4.2004 - C-3/03 P, Slg. 2004, I-3657 Tz. 29 =
GRUR Int. 2004, 843 - Matratzen Concord; Urt. v. 6.10.2005 - C-120/04, Slg. 2005, I-8551 Tz. 28 = GRUR 2005, 1042 =
WRP 2005, 1505 - THOMSON LIFE; BGH, Urt. v. 6.5.2004 - I ZR 223/01, GRUR 2004, 783, 784 f. = WRP 2004, 1043 -
NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX, m.w.N.).
MIR 2006, Dok. 283
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 30.12.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/501
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 28.05.2020 - I ZR 253/16, MIR 2020, Dok. 056
Kaffeebereiter - Zur Darlegungs- und Beweislast bei der Beanspruchung wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes und zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Prüfung einer vermeidbaren Herkunftstäuschung
BGH, Urteil vom 01.07.2021 - I ZR 137/20, MIR 2021, Dok. 089
Offenkundige Tatsache, Internet, rechtliches Gehör - Möchte ein Gericht von ihm dem Internet entnommene Tatsachen als offenkundig seinem Urteil zugrunde legen, muss es den Parteien grundsätzlich die Möglichkeit zur Stellungnahme geben
BGH, Beschluss vom 27.01.2022 - III ZR 195/20, MIR 2022, Dok. 021
Quadratische Tafelschokoladenverpackung II - Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bezieht sich auch auf Warenformen, die wesentliche funktionelle Eigenschaften aufweisen
BGH, Beschluss vom 23.07.2020 - I ZB 42/19, MIR 2020, Dok. 067
Filesharing und familiäre Beziehungen - Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast bei Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing über einen Familienanschluss
BVerfG, Beschluss vom 18.02.2019 - 1 BvR 2556/17, MIR 2019, Dok. 013



