Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 11.02.2021 - I ZR 227/19
Rechtsberatung durch Architektin - Die Vertretung von einem Grundstückseigentümer in einem Widerspruchsverfahren durch eine Architektin stellt keine erlaubte Rechtsdienstleistung dar
RDG §§ 3 und 5 Abs. 1
Leitsätze:*1. Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Die Vorschrift erfasst jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um einfache oder schwierige Rechtsfragen handelt, ist unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2016 - I ZR 107/14 - Schadensregulierung durch Versicherungsmakler; BGH, Urteil vom 31.03.2016 - I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur). Die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Rechtsangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (BGH, Urteil vo 31.03.2016 – I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur, mwN).
2. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit gestattet, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören; erlaubt ist die Tätigkeit nur, wenn sie zum Berufs- oder Tätigkeitsbild desjenigen gehört, der die Rechtsdienstleistung erbringt, und wenn sie eine Nebenleistung zu einer Haupttätigkeit ist (BGH, Urteil vom 04.11.2010 – I ZR 118/09 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Ob insoweit eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). § 5 Abs. 1 RDG kann nur Anwendung finden, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung nicht selbst wesentlicher Teil der Haupttätigkeit ist. Dabei kann der Umstand, dass der rechtsdienstleistende Teil der Leistung aufgrund einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung zu erbringen ist und besonders vergütet wird, indiziell gegen das Vorliegen einer Nebenleistung sprechen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss - soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt - stets auf nichtrechtlichem Gebiet liegen (BGH, Urteil vom 06.10.2011 – I ZR 54/10).
3. Die Vertretung der Grundstückseigentümer in einem Widerspruchsverfahren gegen die abschlägige Bescheidung einer Bauvoranfrage und die Geltendmachung von mit dem Widerspruchsverfahren zusammenhängenden Kostenerstattungsansprüchen durch eine Architektin stellen keine nach §§ 3, 5 Abs. 1 RDG erlaubten Rechtsdienstleistungen dar, die als Nebenleistungen zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Architektin gehören.
4. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei nicht erschöpfend verteidigen kann, und letztlich die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 09.11.2017 - I ZR 134/16 - Resistograph; BGH, Urteil vom 10.01.2019 - I ZR 267/15 - Cordoba II, jeweils mwN). Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2015 - I ZR 50/14 - ConText; BGH, Urteil vom 12.12.2019 - I ZR 117/17 - ÖKO-TEST II, mwN).
5. Geht der Klageantrag (so im vorliegenden Fall) über die konkrete Verletzungsform hinaus und ist er (auch) verallgemeinernd abstrakt gefasst, müssen mögliche Einschränkungen des erstrebten Verbots in den Antrag aufgenommen werden, um erlaubte Verhaltensweisen von dem weit gefassten Verbot auszunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 202/07 - Erinnerungswerbung im Internet; BGH, Urteil vom 02.02.2012 - I ZR 81/10 - Tribenuronmethyl; BGH, Urteil vom 03.11.2016 – I ZR 227/14 - Optiker-Qualität). Die Umstände, die für das Vorliegen der Ausnahmetatbestände sprechen, müssen dabei im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO so genau umschrieben werden, dass im Vollstreckungsverfahren erkennbar ist, welche Verhaltensweisen vom Verbot ausgenommen sind (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010 - I ZR 202/07 - Erinnerungswerbung im Internet; BGH, Urteil vom 02.02.2012 - I ZR 81/10 - Tribenuronmethyl, mwN).
6. Der Insbesondere-Teil eines Unterlassungsantrags kann zum einen der Erläuterung des in erster Linie beantragten abstrakten Verbots dienen, indem er beispielhaft verdeutlicht, was unter der im abstrakten Antragsteil genannten Form zu verstehen ist. Zum anderen kann der Kläger auf diese Weise deutlich machen, dass Gegenstand seines Begehrens nicht allein ein umfassendes, abstrakt formuliertes Verbot ist, sondern dass er - falls er insoweit nicht durchdringt - jedenfalls die Unterlassung des konkret beanstandeten Verhaltens begehrt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 02.02.2012 - I ZR 81/10 - Tribenuronmethyl,; BGH, Urteil vom 12.12.2019 – I ZR 117/17 - ÖKO-TEST II, jeweils mwN).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 05.03.2021
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3060
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