Literatur
Thomas Gramespacher
Christian Volkmann: Der Störer im Internet
München: Verlag C.H.Beck 2005. 257 Seiten, EUR 45,00
MIR 2006, Dok. 256, Rz. 1-10
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Die (zivilrechtliche) Störerhaftung hat sich im Internet zu einem Schlüsselinstrumentarium für die Lösung aufkommender Haftungsfragen entwickelt.
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Nachdem der BGH im Jahr 2004 (Urt. v. 11. 3. 2004 - Az. I ZR 304/01) klar gestellt hat, dass die Haftungspriveligierungen des TDG (und des MDStV)
nicht für den - verschuldensunabhängigen - Anspruch auf Unterlassung (etwa im Rahmen von 1004 Abs. 1, 823 BGB) gelten, spielt die Störerhaftung
bei der Inanspruchnahme von Dienstanbietern, sei es als unmittelbar oder mittelbar Verantwortlicher, die entscheidende Rolle für die
Bewertung von Unterlassungsansprüchen im Bereich des Marken- und Urheberrechts oder des Wettbewerbs- und Persönlichkeitsrechts.
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Insbesondere bei der Klärung der Haftung von Betreibern und Dienstanbietern für durch Dritte verursachte Rechtsverletzungen,
wie z.B. die Veröffentlichung von rechtswidrigen Inhalten in Internetforen, hat die zivilrechtliche Störerhaftung eine
zentrale Bedeutung.
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Die Berührungspunkte sind mannigfaltig und teilweise von großem öffentlichen Interesse (Fall "Heise"); letztlich auch bezüglich
der Klarstellung von rechtlichen Pflichten und Handlungspielräumen derjenigen, die als User am Internet "teilnehmen",
die Plattformen technisch wie inhaltlich unterhalten oder sich oder ihr Unternehmen im Internet präsentieren und bewerben.
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Zwar bildet sich in der Rechtssprechung derzeit eine mehr oder minder kalkulierbare Kasuistik heraus. Deutlich wird aber auch, dass die Bewertung
einzelner Fallkonstellationen und die Subsumtion (exemplarisch sei hier genannt die Verletzung von Prüfungspflichten und deren Zumutbarkeit)
noch immer Schwierigkeiten bereiten und die damit verbundenen Probleme nicht an Ihrer Brisanz verloren haben.
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Diesen für die Praxis zentralen Themen und deren wichtigen Detailfragen widmet sich die Arbeit von Christian Volkmann in beeindruckender
Vollständigkeit und mit immer noch beachtenswerter Aktualität und praktischem Bezug.
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Die Arbeit behandelt die Thematik der Störerhaftung umfassend.
Sie beginnt in einem ersten Teil mit der Darstellung des rechtlichen Rahmens - den gesetzlichen Grundlagen für Anbieter und Provider -
im Teledienstgesetz (TDG), dem Mediendienstestaatsvertrag (MDStV), dem Rundfunkstaatsvertrag (RfStV) und dem Telekommunikationsgesetz
(TKG), um sich dann im zweiten Teil dogmatisch mit der Verantwortlichkeit des Störers im Zivilrecht
auseinanderzusetzen. Abrundung findet das Werk in einem dritten Teil, der parallelen Problematiken im öffentlichen Recht gewidmet ist.
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Insbesondere dem zweiten Teil, der die zivilrechtliche Störerhaftung im Internet behandelt, wird das Augenmerk der Praxis gewidmet sein.
Hier legt der Autor eine geradezu
schulmäßige Struktur für die Prüfung und Klärung der rechtlichen Problematiken vor. Von der Rechtsbeeinträchtigung als Ausgangspunkt,
über die Differenzierung der einzelnen "Gruppen" von möglichen Verantwortlichen (Content- und Access-Provider, Internet-Auktionen,
Newsgoups, Chats, Hyperlinks etc.), der Frage des Konflikts der Haftungsprivilegierungen nach TDG und MdStV gegenüber der
allgemeinen Störerhaftung, über die ausführliche Problematisierung der Begrenzung der Verantwortlichkeit des zivilrechtlichen
Störers (Stichwort: Prüfungs- und Überwachungspflichten) bis zu Fragen der Zwangsvollstreckung bietet Volkmann dem Leser Lösungen,
Erklärungen und Denkanstöße.
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Der systematische und geschlossene Aufbau der gesamten Bearbeitung macht dem Leser die inhaltliche Erfassung angenehm leicht.
Ausführliche Zwischenergebnisse fassen die entwickelten Ansätze leicht verständlich wie präzise zusammen und leiten zum nächsten
Punkt bzw. Themenkomplex über.
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Alles in allem bietet das Buch Medien- und Internetrechtlern in Beratung und Unternehmen, Juristen in Judikative und Wissenschaft,
Internet-Providern und Dienstanbietern wie auch interessierten Usern - mithin allen, die sich mit dieser hochaktuellen Problematik
zu befassen haben oder möchten - einen dogmatisch und wissenschaftlich umfassenden, gleichzeitig aber praxisorientierten,
verständlichen Einstieg sowie ein hervorragendes Nachschlagewerk.
Anm. der Redaktion:
Die Erstveröffentlichung dieser Rezension erfolgte in
Kommunikation & Recht, Heft 12/2006 (erschienen am 6.12.2006).
Online seit: 06.12.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/474
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