Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Köln, Urteil vom 16.12.2022 - 6 U 111/22
Erben-Ermittlung - Unter den Begriff der "Angabe" im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG können nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern auch Meinungsäußerungen fallen - zur Frage, wann die Mitteilung von Rechtsansichten von § 5 Abs. 1 UWG erfasst wird
UWG §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 2 Fall 2 Nr. 7
Leitsätze:*1. § 5 Abs. 2 UWG (§ 5 Abs. 1 Satz 2 UWG a.F.) dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 der RL 2005/29/EG, der als irreführende Geschäftspraxis neben generell unwahren Angaben auch alle Geschäftspraktiken, die in irgendeiner Weise - also sowohl durch wahre Angaben als auch Meinungsäußerungen - zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind, erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 - Prämiensparverträge). Es werden alle täuschenden oder zur Täuschung geeigneten Geschäftshandlungen mit Informationsgehalt vom Tatbestand des Irreführungsverbots erfasst (BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 - Prämiensparverträge).
2. Unter den Begriff der "Angabe" im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG können nicht nur Tatsachenbehauptungen, sondern bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung auch Meinungsäußerungen fallen.
3. Die Mitteilung eines Unternehmens an einen Verbraucher, dass der Widerruf eines Vertragsabschlusses zurückgewiesen werde, kann als Darstellung einer Rechtsansicht zulässig sein, auch wenn das Widerrufsrecht tatsächlich besteht.
4. Aussagen über die Rechtslage werden allerdings nur in bestimmten Fällen von § 5 Abs. 1 UWG erfasst. Dabei ist entscheidend, wie der Verbraucher die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Weise der Äußerung auffasst. Ist für die betroffenen Verkehrskreise erkennbar, dass es sich um eine im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung geäußerte Rechtsansicht handelt, fehlt dieser Äußerung die erforderliche Eignung zur Täuschung. Das folgt aus der Überlegung, dass es dem Unternehmer unbenommen bleiben muss, eine bestimmte Rechtsansicht zu vertreten. Ob diese Rechtsansicht richtig ist, kann nicht im Wettbewerbsprozess, sondern muss in dem Rechtsverhältnis geprüft und entschieden werden, auf das sich diese Rechtsansicht bezieht (BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 - Prämiensparverträge). Demgegenüber werden Äußerungen erfasst, in denen der Unternehmer eine eindeutige Rechtslage behauptet, die tatsächlich nicht besteht, sofern der Kunde die Aussage nicht als Äußerung einer Rechtsansicht, sondern als Feststellung versteht (BGH, Urteil vom 25.04.2019 – I ZR 93/17 - Prämiensparverträge).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 31.01.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3255
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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