Rechtsprechung
OLG Köln, Urteil vom 7.07.2006 - Az. 6 U 239/05
Eine Werbeaktion, bei dem ein Absatzgeschäft mit einem Gewinnspiel gekoppelt wird, ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit (auch) sonstiger Markteilnehmer im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen.
UWG § 3, § 4 Nr. 1, § 8
Leitsätze:*1. Eine Werbeaktion, bei dem ein Absatzgeschäft mit einem Gewinnspiel gekoppelt wird, ist wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn sie
geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit (auch) sonstiger Markteilnehmer im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG durch unangemessenen unsachlichen
Einfluss zu beeinträchtigen.
2. Allein der Umstand, dass bei einer Werbeaktion ein Absatzgeschäft mit einem Gewinnspiel gekoppelt wird reicht
nicht aus, um eine Beeinträchtigung durch unangemessenen unsachlichen Einfluss im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG anzunehmen. Dies
folgt aus einem Umkehrschluss aus § 4 Nr. 6 UWG. Nach dieser Vorschrift ist gegenüber sonstigen Markteilnehmern nicht jedewede Koppelung
des Absatzgeschäfts mit einem Gewinnspiel als unlauter anzusehen. Ein derartig starres, abweichende Wertungen nicht zulassendes Verbot hat
der Gesetzgeber ausdrücklich nur gegenüber Verbrauchern aufgestellt. Gleichwohl schließt dies wiederum nicht aus, im Einzelfall auch eine
Werbeaktion, die ein Absatzgeschäft mit einem Gewinnspiel koppelt, gegenüber sonstigen Markteilnehmern als unlauter im Sinne des
§ 4 Nr. 1 UWG anzusehen, wenn sich die Werbeaktion aufgrund eines weiteren Umstandes als unangemessene unsachliche Beeinflussung darstellt.
3. Eine unangemessene unsachliche Beeinflussung im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG kann in dem Versprechen oder Gewähren einer Zugabe liegen, wenn die
umworbene Person (hier: Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) aus Rechtsgründen gehalten ist, bei der zu treffenden Marktentscheidung
die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit zu wahren, und sie daher die Pflicht zu einer objektiven und neutralen Entscheidung trifft. Die Gefahr,
der gemäß § 4 Nr. 1 UWG in diesen Fällen zu begegnen ist, ist darin zu sehen, dass die umworbene Person die gebotene kritische Prüfung
des jeweiligen Produkte vernachlässigt und den Dritten unsachlich berät, nur um in den Genuss der in Aussicht gestellten Vergünstigung zu kommen.
Für diese Gefahr genügt es bereits, wenn die jeweilige Zugabe in die Beurteilung und Prüfung mit einfließt und damit geeignet ist die Objektivität
zu beeinflussen.
4. Dass die Gefahr einer unangemessenen Beeinträchtigung der Objektivität und Neutralität des Vermittlers (hier: Rechtsanwälte,
Steuerberater, Wirtschaftprüfer) nicht besteht, lässt sich nicht damit begründen, dass die in einer Werbung ausdrücklich genannten
Vermittler aufgrund der für sie geltenden berufs- und standesrechtlichen Regelungen den Interessen ihres Mandanten in besonderer Weise
verpflichtet und fachlich unabhängig sind.
MIR 2006, Dok. 230
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 19.11.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/448
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