Rechtsprechung // Vollstreckungsrecht
OLG Celle, Beschluss vom 19.08.202 - 5 W 25/22
Löschungspflicht (auch) für Links?! - Der Unterlassungsschuldner kann zur Löschung von Verlinkungen verpflichtet sein, deren Wiedergabe selbst einen Verstoß gegen ein gerichtliches Unterlassungsgebot darstellt
BGB §§ 823, 1004; ZPO § 890 Abs. 1
Leitsätze:*1. Ein auf die konkrete Verletzungsform beschränktes Unterlassungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung sind. Insoweit kommt es auf die "Identität des Äußerungskerns" an (vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2018 - VI ZR 330/17, MIR 2019, Dok. 001, Rn. 44).
2. Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes umfasst. Bezogen auf Verstöße durch Aussagen im Internet bedeutet dies, dass der Schuldner durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hat, dass die durch die Unterlassungsverpflichtung betroffenen Inhalte nicht mehr im Internet aufgerufen werden können, und zwar weder über die Webseite direkt noch über eine Internetsuchmaschine. Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs ist dazu verpflichtet, durch Einwirkung auf gängige Internetsuchmaschinen, insbesondere Google, sicherzustellen, dass der von ihm gelöschte Beitrag nicht weiter über diese Suchmaschinen infolge einer Speicherung dieses Beitrags in deren Cache erreichbar ist (vgl. insgesamt OLG Celle, Beschluss vom 21.08.2017 - 13 W 45/17; sowie nachfolgend BGH, Beschluss vom 12.07.2018 - I ZB 86/17, Rn. 13). Die Einwirkung auf Suchmaschinen stellt eine im Rahmen des Unterlassungsanspruchs geschuldete Einwirkung auf Dritte dar (BGH, Beschluss vom 12.07.2018 - I ZB 86/17, Rn. 14).
3. Eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungsverfügung gemäß § 890 Abs. 1 ZPO kann auch dadurch verwirklicht sein, dass der Unterlassungsschuldner zwar den ursprünglichen Beitrag löscht, nicht aber eine von ihm vorgenommene Verlinkung auf diesen Beitrag entfernt, wenn sich diesem Link der Kern der zu unterlassenden Äußerung ebenfalls entnehmen lässt.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 27.09.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3214
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
BGH, Urteil vom 13.01.2022 - I ZR 25/19, MIR 2022, Dok. 043
Early Reviewer Program - Zur Irreführung durch bezahlte Kundenrezensionen auf Amazon
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.06.2022 - 6 U 232/21, MIR 2022, Dok. 060
EUR 2.500,00 pro AGB-Klausel - Im Verbandsprozess erfolgt grundsätzlich keine vom Regelbeschwerdewert abweichende Bemessung der Beschwer für die Revisionszulassung
BGH, Urteil vom 13.10.2020 - VIII ZR 25/19, MIR 2020, Dok. 082
SIMPLY THE BEST - Die Werbung für eine "Tribute-Show" (hier Tina Turner) darf nicht den unzutreffenden Eindruck erwecken, das prominente Original unterstütze die Show oder wirke an ihr mit
Bundesgerichtshof, MIR 2022, Dok. 018
Preisnachlass oder UVP - Zur Irreführung bei einer Werbung mit einer eigenen unverbindlichen Preisempfehlung
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 28.06.2022 - 6 W 30/22, MIR 2022, Dok. 051