Rechtsprechung
OLG Hamburg, Urteil vom 5.07.2006 - Az. 5 U 87/05
Allein die Registrierung einer Internet-Domain vermag so lange keine Kennzeichenrechte zu begründen, als mit der Domain keine konkreten Inhalte verbunden sind, die das Bezugsobjekt eines potentiellen Zeichens konkretisieren und der Domainname nicht als Herstellerhinweis für bestimmte Waren, Dienstleistungen oder geschäftliche Aktivitäten dient.
MarkenG § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 23 Nr. 1, Nr. 2; UWG § 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1
Leitsätze:*1. Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft, die einen Ausnahmetatbestand darstellt, setzt voraus, dass die Drittkennzeichen im
Bereich gleicher oder eng benachbarter Branchen oder Waren und in einem Umfang in Erscheinung treten, der geeignet ist,
die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Kennzeichnungen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken.
2. Für einen Teil einer Firmenbezeichnung kann der von dem Schutz des vollständigen Firmennamens abgeleitete Schutz
als Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 Abs. 2 MarkenG beansprucht werden, sofern es sich um einen
unterscheidungsfähigen Firmenbestandteil handelt, der seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen
Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen
durchzusetzen. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht darauf an, ob die fragliche Kurzbezeichnung tatsächlich
als Firmenbestandteil in Alleinstellung verwendet worden ist und ob sie sich im Verkehr durchgesetzt hat.
3. Allein die Registrierung einer Internet-Domain vermag so lange keine Kennzeichenrechte begründen, als mit der Domain keine
konkreten Inhalte verbunden sind, die das Bezugsobjekt eines potentiellen Zeichens konkretisieren, und der Domainname nicht als
Herstellerhinweis für bestimmte Waren, Dienstleistungen oder geschäftliche Aktivitäten dient.
4. Eine Domain-Registrierung ohne aktuellen Nutzungszweck ist nicht grundsätzlich zu missbilligen. Dies gilt jedenfalls soweit
keine Rechte Dritter entgegenstehen. Allein der Umstand, dass etwa die Nutzung einer Bustabenfolge als Firmenschlagwort
naheliegt, vermag ein derartiges entgegenstehendes Drittrecht allerdings nicht begründen. Ebenso wie eine Registrierung eines generischen
Begriffes als Internet-Domain grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, muss dies in gleicher Weise auch für solche
Firmenschlagworte gelten, die jedenfalls von der Klagepartei bislang nicht genutzt worden sind. Weiterhin ist auch eine
Domainregistrierung selbst bei fehlender aktueller Nutzungsmöglichkeit dann rechtlich nicht zu missbilligen, wenn z.B. gerade
die Registrierung der erste Schritt im Zuge der Aufnahme einer Benutzung als Unternehmenskennzeichen ist.
5. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit eines Zeichens mit einer Domainbezeichnung bleibt der Zusatz ".de" als übliche
Bezeichnung für diese Top-Level-Domain außer Betracht, da dieser Zusatz von den angesprochenen Verkehrskreisen
gerade nicht als kennzeichnend bzw. prägend verstanden wird. Das Gleiche gilt für den Zusatz "www" als übliche Abkürzung
für "world wide web".
6. Allein die Möglichkeit bzw. die nur untergeordnete oder gelegentliche Verwendung einer Buchstabenkombination zu
beschreibenden Zwecken kann ein markenrechtliches Freihaltebedürfnis nicht rechtfertigen. Andernfalls wäre letztlich die Nutzung
einer unüberschaubaren Vielzahl von Buchstabenkombinationen durch den Geschäftsverkehr gesperrt.
Dies gilt jedenfalls, soweit die betreffende Buchstabenkombination nicht allgemeinsprachlich oder zumindest in konkreten
Fachkreisen nicht als beschreibender Begriff so durchgesetzt ist, dass die angesprochenen Verkehrskreise spontan an den
beschriebenen Begriff denken, wenn ihnen die Abkürzung begegnet.
7. Bedient sich eine Person bzw. ein Unternehmen im Internet einer Domainadresse, die eine Buchstabenkombination enthält, die
nicht erkennbar sachbeschreibend ist, so gehen die angesprochenen Verkehrskreise in der Regel davon aus, dass insoweit
ein kennzeichnender Gebrauch beabsichtigt ist und die Seite auf eine bestimmte Person bzw. ein konkretes Unternehmen hinweist.
8. Neben Ansprüchen aus dem Markenrecht können Ansprüche aus § 3 UWG gegeben sein, wenn sie sich gegen ein wettbewerbswidriges
Verhalten richten, dass als solches nicht Gegenstand der markenrechtlichen Regelung ist. Ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher
Schutz kommt nur in Betracht, wenn im Einzelfall zusätzliche Umstände gegeben sind, welche die Annäherung an eine fremde Kennzeichnung
als eine unlautere Wettbewerbshandlung erscheinen lassen.
MIR 2006, Dok. 216
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 08.11.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/434
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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