Kurz notiert
Bundesgerichtshof
Foto eines Politikers in der Werbung - Kein Zahlungsanspruch, wenn eine Werbung nicht über bloße Aufmerksamkeitswerbung hinausgeht und ein aktuelles politisches Geschehen Anlass für einen satirischen Werbespruch war.
BGH, Urteil vom 26.10.2006 - I ZR 182/04
MIR 2006, Dok. 200, Rz. 1
1
Zum Sache
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht und für Rechtsstreitigkeiten über die kommerzielle Verwertung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob dem Kläger Oskar Lafontaine wegen der von ihm nicht erlaubten Verwendung seines Bildnisses in einer Werbeanzeige ein Zahlungsanspruch zusteht. Kurz nach dem Rücktritt des Klägers als Finanzminister hatte ein großes Mietwagenunternehmen in einer Werbeanzeige zur Darstellung des Bundeskabinetts Portraitaufnahmen des Klägers und weiterer fünfzehn Mitglieder des Bundeskabinetts verwendet. Das Bild des Klägers war durchgestrichen. Der Textbeitrag lautete: "S. verleast auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit." Der Kläger sieht darin eine von ihm nicht gewollte Kommerzialisierung seiner Person zu Werbezwecken. Er verlangt als Entgelt den Betrag, der nach seiner Auffassung üblicherweise an vermarktungswillige Prominente als Lizenz gezahlt wird.
Die Instanzgerichte haben das Begehren für begründet erachtet. Das Berufungsgericht hat einen Betrag von 100.000 € zugesprochen.
Entscheidung des BGH: Werbung ging im Fall nicht über bloße - vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckte - satirische Aufmerksamkeitswerubung hinaus.
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Klage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof ist davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr nicht schon deshalb ausscheidet, weil er wegen des für Bundesminister geltenden Verbots, ein Gewerbe auszuüben (Art. 66 GG), an der eigenen kommerziellen Verwertung seines Bildnisses gehindert gewesen sei. Der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenz stelle einen Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in die der prominenten Person ausschließlich zugewiesene Befugnis zu entscheiden dar, ob sie sich zu Werbezwecken vermarkten lasse oder nicht. Wertersatz sei für die tatsächlich erfolgte Nutzung des Bildes zu leisten, und zwar unabhängig davon, ob der Berechtigte bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung gegen Zahlung zu gestatten.
Der Anspruch scheitere im vorliegenden Fall aber daran, dass die Beklagte ein aktuelles politisches Geschehen zum Anlass für ihren als Satire verfassten Werbespruch genommen habe, ohne über eine bloße Aufmerksamkeitswerbung hinaus die Person des Klägers zur Anpreisung ihrer Dienstleistung zu vermarkten. Zwar habe niemand, auch nicht der Kläger als Person der Zeitgeschichte, es hinzunehmen, mit seinem Bildnis oder Namen in eine fremde Werbung eingebunden zu werden. Das schließe es aber nicht aus, dass das auch im Bereich der Wirtschaftswerbung bestehende Recht auf freie Meinungsäußerung den Schutz (des vermögensrechtlichen Bestandteils) des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verdränge. Die gebotene Güterabwägung falle im Streitfall zu Lasten des Klägers aus. Die Verwendung des Bildnisses erwecke nicht den Eindruck, der Abgebildete empfehle das beworbene Produkt. Ein Image- oder Werbewert des Klägers werde nicht auf die beworbene unternehmerische Leistung übertragen. Das Foto des Klägers behalte auch im Rahmen der Werbeanzeige seine politische Zuordnung. Es sei Teil einer satirischen Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Rücktritt des Klägers als einem aktuellen politischen Tagesereignis. Zudem sei nur eine kontextneutrale Portraitaufnahme verwendet worden, die sich in Größe und Anordnung in die Portraitaufnahmen der weiteren fünfzehn Regierungsmitglieder einreihe. Auch seien keine ideellen Interessen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers verletzt. Das Ansehen des Klägers werde nicht beschädigt. Als Folge dieser Abwägung müsse im Streitfall das Interesse des Klägers, eine Verwertung seines Porträtfotos in der Werbung zu verhindern, zurücktreten. Deshalb sei ihm auch kein Anspruch auf Abschöpfung eines Werbewerts zuzubilligen.
(tg)
Quelle: PM Nr. 148/2006 des BGH vom 27.10.2006
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht und für Rechtsstreitigkeiten über die kommerzielle Verwertung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob dem Kläger Oskar Lafontaine wegen der von ihm nicht erlaubten Verwendung seines Bildnisses in einer Werbeanzeige ein Zahlungsanspruch zusteht. Kurz nach dem Rücktritt des Klägers als Finanzminister hatte ein großes Mietwagenunternehmen in einer Werbeanzeige zur Darstellung des Bundeskabinetts Portraitaufnahmen des Klägers und weiterer fünfzehn Mitglieder des Bundeskabinetts verwendet. Das Bild des Klägers war durchgestrichen. Der Textbeitrag lautete: "S. verleast auch Autos an Mitarbeiter in der Probezeit." Der Kläger sieht darin eine von ihm nicht gewollte Kommerzialisierung seiner Person zu Werbezwecken. Er verlangt als Entgelt den Betrag, der nach seiner Auffassung üblicherweise an vermarktungswillige Prominente als Lizenz gezahlt wird.
Die Instanzgerichte haben das Begehren für begründet erachtet. Das Berufungsgericht hat einen Betrag von 100.000 € zugesprochen.
Entscheidung des BGH: Werbung ging im Fall nicht über bloße - vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckte - satirische Aufmerksamkeitswerubung hinaus.
Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Klage abgewiesen.
Der Bundesgerichtshof ist davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr nicht schon deshalb ausscheidet, weil er wegen des für Bundesminister geltenden Verbots, ein Gewerbe auszuüben (Art. 66 GG), an der eigenen kommerziellen Verwertung seines Bildnisses gehindert gewesen sei. Der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenz stelle einen Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in die der prominenten Person ausschließlich zugewiesene Befugnis zu entscheiden dar, ob sie sich zu Werbezwecken vermarkten lasse oder nicht. Wertersatz sei für die tatsächlich erfolgte Nutzung des Bildes zu leisten, und zwar unabhängig davon, ob der Berechtigte bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung gegen Zahlung zu gestatten.
Der Anspruch scheitere im vorliegenden Fall aber daran, dass die Beklagte ein aktuelles politisches Geschehen zum Anlass für ihren als Satire verfassten Werbespruch genommen habe, ohne über eine bloße Aufmerksamkeitswerbung hinaus die Person des Klägers zur Anpreisung ihrer Dienstleistung zu vermarkten. Zwar habe niemand, auch nicht der Kläger als Person der Zeitgeschichte, es hinzunehmen, mit seinem Bildnis oder Namen in eine fremde Werbung eingebunden zu werden. Das schließe es aber nicht aus, dass das auch im Bereich der Wirtschaftswerbung bestehende Recht auf freie Meinungsäußerung den Schutz (des vermögensrechtlichen Bestandteils) des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verdränge. Die gebotene Güterabwägung falle im Streitfall zu Lasten des Klägers aus. Die Verwendung des Bildnisses erwecke nicht den Eindruck, der Abgebildete empfehle das beworbene Produkt. Ein Image- oder Werbewert des Klägers werde nicht auf die beworbene unternehmerische Leistung übertragen. Das Foto des Klägers behalte auch im Rahmen der Werbeanzeige seine politische Zuordnung. Es sei Teil einer satirischen Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Rücktritt des Klägers als einem aktuellen politischen Tagesereignis. Zudem sei nur eine kontextneutrale Portraitaufnahme verwendet worden, die sich in Größe und Anordnung in die Portraitaufnahmen der weiteren fünfzehn Regierungsmitglieder einreihe. Auch seien keine ideellen Interessen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers verletzt. Das Ansehen des Klägers werde nicht beschädigt. Als Folge dieser Abwägung müsse im Streitfall das Interesse des Klägers, eine Verwertung seines Porträtfotos in der Werbung zu verhindern, zurücktreten. Deshalb sei ihm auch kein Anspruch auf Abschöpfung eines Werbewerts zuzubilligen.
(tg)
Quelle: PM Nr. 148/2006 des BGH vom 27.10.2006
Online seit: 27.10.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/418
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Was Sie noch interessieren könnte...
Entertain - Zum Anfall eines erstinstanzlich vorgetragenen aber nicht berücksichtigten Irreführungsaspekts in der Berufungsinstanz und den wesentlichen Informationen im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG bei einer Werbung für Internetfernsehen
BGH, Urteil vom 15.12.2016 - I ZR 241/15, MIR 2017, Dok. 008
Aldi Süd - Bei der Werbung mit einer Preisermäßigung ist die Vorteilhaftigkeit des beworbenen Preises auf Grundlage des vorherigen Preises des betreffenden Artikels im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 98/6/EG zu bestimmen
EuGH, Urteil vom 26.09.2024 - C‑330/23, MIR 2024, Dok. 077
Wegfall der Wiederholungsgefahr III - Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, dem Wegfall deren Wegfalls durch Ablehnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" bei einem erneuten Verstoß
BGH, Versäumnisurteil vom 01.12.2022 - I ZR 144/21, MIR 2023, Dok. 002
Mobilfunkkunden haben bei einer einseitig angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht - Androhung einer Anschlusssperre in Textform ausreichend
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2020, Dok. 042
Abbestelltes Abschlussschreiben - Keine Kostenerstattung für ein Abschlussschreiben, wenn der Schuldner vor Ablauf der Wartefrist, mitteilt unaufgefordert innerhalb der Monatsfrist auf die Sache zurückzukommen
OLG München, Urteil vom 13.08.2020 - 29 U 1872/20, MIR 2020, Dok. 079
BGH, Urteil vom 15.12.2016 - I ZR 241/15, MIR 2017, Dok. 008
Aldi Süd - Bei der Werbung mit einer Preisermäßigung ist die Vorteilhaftigkeit des beworbenen Preises auf Grundlage des vorherigen Preises des betreffenden Artikels im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 98/6/EG zu bestimmen
EuGH, Urteil vom 26.09.2024 - C‑330/23, MIR 2024, Dok. 077
Wegfall der Wiederholungsgefahr III - Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, dem Wegfall deren Wegfalls durch Ablehnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Vertragsstrafe nach "Hamburger Brauch" bei einem erneuten Verstoß
BGH, Versäumnisurteil vom 01.12.2022 - I ZR 144/21, MIR 2023, Dok. 002
Mobilfunkkunden haben bei einer einseitig angekündigten Preiserhöhung immer ein Widerspruchsrecht - Androhung einer Anschlusssperre in Textform ausreichend
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2020, Dok. 042
Abbestelltes Abschlussschreiben - Keine Kostenerstattung für ein Abschlussschreiben, wenn der Schuldner vor Ablauf der Wartefrist, mitteilt unaufgefordert innerhalb der Monatsfrist auf die Sache zurückzukommen
OLG München, Urteil vom 13.08.2020 - 29 U 1872/20, MIR 2020, Dok. 079