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Kurz notiert



Bundesverfassungsgericht

Richterliche Rechtsfortbildung zur Vererblichkeit vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts verfassungsrechtlich zulässig - Verwendung des Bildes von Marlene Dietrich zu Werbezwecken

BVerfG, Beschluss vom 22.08.2006 - Az. 1 BvR 1168/04

MIR 2006, Dok. 168, Rz. 1


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Gegen die richterliche Rechtsfortbildung bezüglich der Anerkennung vererblicher vermögenswerter Bestandteile des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechts, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat die 1. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 22.08.2006 - Az. 1 BvR 1168/04 entschieden.

I. Zum Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin vertreibt Fotokopiergeräte. Im Jahr 1993 warb sie in einer Zeitungsanzeige unter der Überschrift "Vom Blauen Engel schwärmen, genügt uns nicht" für die Umweltfreundlichkeit ihrer Geräte und verwendete dabei eine Fotografie, auf der eine bekannte Szene aus dem Film "Der blaue Engel" mit Marlene Dietrich von einer ähnlich gekleideten Person nachgestellt wurde.
Die Tochter und Alleinerbin von Marlene Dietrich verlangte durch eine von ihr und ihrem Sohn gegründete Verwertungsgesellschaft von der Beschwerdeführerin Zahlung einer angemessenen Lizenzvergütung.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht wiesen die Klage zunächst ab, da bei einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf Ersatz von Vermögensschäden nicht bestehe. Der Bundesgerichtshof bejahte dagegen einen Schadensersatzanspruch, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Schutz nicht nur ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen der Persönlichkeit diene. Würden diese vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts durch eine unbefugte Verwendung des Bildnisses schuldhaft verletzt, stehe dem Träger des Persönlichkeitsrechts ein Schadensersatzanspruch zu. Die entsprechenden Befugnisse gingen auf den Erben des Trägers des Persönlichkeitsrechts über.

Die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin rügt, dass der Bundesgerichtshof die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht beachtet habe, hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen.

II. Wesentliche Erwägungen des Gerichts
In seinem Nichtannahmebeschluss führt das BVerfG unter anderem aus, für diese Rechtsfortbildung lasse sich nicht anführen, dass durch sie verpflichtende Vorgaben der Verfassung konkretisiert würden. Das Grundgesetz gebiete einen postmortalen Schutz der Persönlichkeit gegen Angriffe auf die Menschenwürde. Einen Schutz vor einer kommerziellen Ausbeutung, die nicht mit einer Menschenwürdeverletzung verbunden ist, kenne das Grundgesetz im Bereich des postmortalen Schutzes jedoch nicht. Gleichwohl stehe das Grundgesetz der einfachrechtlichen Anerkennung eines solchen Schutzes nicht entgegen.

Die erkennenden Gerichte durften die sich aus dem Kunsturhebergesetz ergebende Rechtslage für ergänzungsbedürftig halten. Mit verbesserten technischen Mitteln und gesteigerter Bedeutung der Medien habe die Möglichkeit, Bestandteile der Persönlichkeit zu kommerzialisieren, an Vielfalt, Ausmaß und Intensität zugenommen. In der rechtlichen Anerkennung der Möglichkeit zur Kommerzialisierung des Rechts am Bild und zugleich in den Vorkehrungen zur Effektivierung des Schutzes gegen eine unerlaubte Nutzung des Bildes liege keine unzulässige Rechtsfortbildung.

Auch sei die Annahme des Bundesgerichtshofs, dass die vermögenswerten Bestandteile des Rechts am eigenen Bild nach dem Tod des Rechtsträgers auf seine Erben übergehen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Annahme widerspreche nicht § 22 Satz 3 Kunsturhebergesetz, wonach das Recht zur Einwilligung in die Verwendung des Bildes postmortal den Angehörigen des Abgebildeten zusteht. Diese Norm sei keine nach Wortlaut, Systematik und Sinn abschließende Regelung auch der Frage, wer einen Vermögenswert aus der Verwertung des Bildes geltend machen kann. Die Norm stehe historisch in ihrem Bezug auf den Schutz ideeller Interessen. Heute habe sich das Recht am Bild über diese ideelle Schutzposition hinaus dahingehend entwickelt, dass die Norm auch im Dienst von Vermögensinteressen stehe. Insoweit habe der Gesetzgeber nicht geklärt, wem die Vermögensvorteile zustehen sollen und insbesondere, ob dies nur die Einwilligungsberechtigten sein dürfen. Die entsprechende Klärung könne somit Gegenstand richterlicher Rechtsfortbildung sein. Es entspreche den Grundgedanken des bürgerlichen Rechts, die Wahrnehmung solcher Vermögensinteressen den Erben zuzugestehen.

(tg)

Quelle: PM 84/2006 des Bundesverfassungsgerichts vom 27.09.2006


Online seit: 27.09.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/386
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