Rechtsprechung
OLG Naumburg, Urteil vom 24.03.2006 - Az. 10 U 56/05 (HS)
Hat ein Unterlassungsschuldner mit der Überlassung einer Emailadresse an seinen Erfüllungsgehilfen ein Gefahrenpotential insoweit geschaffen, als diese Internetadresse für die Versendung von Spammails missbraucht werden könnte, hat er in seiner (betrieblichen) Sphäre die notwendigen und geeigneten Vorkehrungen zu treffen, um eine derartige Fehlnutzung zu verhindern.
BGB § 278 Abs. 1
Leitsätze:*1. Derjenige, der eine Internetadresse (Emailadresse) aus seiner Domain einem Dritten zur Verfügung stellt, eröffnet eine Gefahrenquelle für einen
möglicherweise missbräuchlichen Umgang mit dieser Internetadresse und kann damit zumindest objektiv auch an einer Zuwiderhandlung gegen
eine bestehende Unterlassungsverpflichtung mitwirken und in seinem Verantwortungsbereich eine Ursache für die verbotswidrige Übermittlung
von Werbespam setzen. Denn insoweit hat der Inhaber der Domain dem Dritten ein Medium an die
Hand gegeben, um Informationen und Mitteilungen (hier: Werbemitteilungen) an Kunden bzw. Dritte zu verteilen, und mithin die technischen
Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Adresse von dem Dritten auch verbotswidrig zur Versendung von Spammails genutzt werden kann.
2. Der Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung muss in der Regel für ein schuldhaftes Verhalten seines Erfüllungsgehilfen nach § 278 Abs. 1
BGB einstehen, soweit dieses zu einer Verletzung der Unterlassungspflicht geführt hat.
3. Ob jemand als Erfüllungsgehilfe eines anderen fungiert, bestimmt sich allein danach, ob er nach den rein tatsächlichen Vorgängen des
gegebenen Falles mit dem Willen des (Unterlassungs-) Schuldners in dessen Pflichtenkreis bei der Erfüllung der diesem obliegenden
Verbindlichkeit als Hilfperson eingeschaltet wird. Auch derjenige, der in seinem Handeln keinerlei Weisungen unterliegt und unternehmerisch
selbständig tätig ist (hier: Handelsvertreter), kann Erfüllungsgehilfe sein. Darauf, ob der Beauftragte bzw. das beauftragte Unternehmen
(der Erfüllungsgehilfe) die Unterlassungspflicht und damit die Bedeutung seines Handelns kennt, kommt es nicht an.
4. Die Zurechnung des Fremdverschuldens des Erfüllungsgehilfen nach § 278 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die schuldhafte Handlung
in einem inneren Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Unterlassungsschuldner dem Erfüllungsgehilfen im Hinblick auf die
Vertragserfüllung zugewiesen hat. Für schuldhaftes Verhalten seines Erfüllungsgehilfen nur "bei Gelegenheit" der Vertragserfüllung
haftet der Schudlner indes nicht.
5. An denjenigen, der sich wettbewerbsrechtlich strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet hat, sind allerdings strenge Sorgfaltsanforderungen
zu stellen. Der Unterlassungsschuldner muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles
Mögliche und Zumutbare unternehmen, um künftige Verletzungen in seinem Geschäftsbetrieb zu unterbinden. Dabei muss der Unterlassungsschuldner
seinen Betrieb so organisieren, dass es nicht zu weiteren Verstößen kommt (Organisationsverschulden).
6. Es kann von einem Unterlassungsschuldner erwartet werden, dass er auch auf Dritte einwirkt, die er zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten
in seinem Geschäftsbereich eingebunden hat. Dabei gehört es zur Unterbindung von weiteren Verstößen durch Mitarbeiter und Beauftragte, sie
über die übernomme Unterlassungsverpflichtung und die Folgen eines Verstoßes zu belehren und entsprechende Anordnungen zu treffen,
deren Einhaltung genau zu überwachen ist. Eine derartige Belehrung hat grundsätzlich schriftlich zu erfolgen und muss auf die Nachteile aus einem
Verstoß hinweisen.
7. Hat ein Unterlassungsschuldner mit der Überlassung einer Internetadresse (Emailadresse) an seinen Erfüllungsgehilfen (hier: Handelsvertreter)
ein Gefahrenpotential insoweit geschaffen, als diese Internetadresse für die Versendung von Spammails zu Werbezwecken missbraucht werden könnte,
hat er - auch mit Rücksicht auf eine übernommene Unterlassungsverpflichtung - in seiner (betrieblichen) Sphäre die notwendigen und geeigneten
Vorkehrungen zu treffen, um eine derartige Fehlnutzung zu verhindern.
MIR 2006, Dok. 156
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 15.09.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/373
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