Rechtsprechung // Markenrecht
BGH, Beschluss vom 11.09.2025 - I ZB 6/25
Testarossa - Für die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung ist eine Schädigungs- oder Behinderungsabsicht des Anmelders hinsichtlich Drittinteressen erforderlich
MarkenG §§ 8 Abs. 2 Nr. 14, 50 Abs. 1
Leitsätze:*1. Für die Beurteilung der Bösgläubigkeit (einer Markenanmeldung) ist auch die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung zu berücksichtigen. Die Absicht des Anmelders im maßgeblichen Zeitpunkt ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das anhand der objektiven Fallumstände bestimmt werden muss (EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-529/07 - Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli; EuGH, Urteil vom 19.06.2025 - C-17/24 - CeramTec). Bei der Auslegung des Begriffs "bösgläubig" ist neben dem Umstand, dass er in seiner üblichen Bedeutung im gewöhnlichen Sprachgebrauch eine unredliche Geisteshaltung oder Absicht voraussetzt, der besondere markenrechtliche Kontext, nämlich der des Geschäftslebens, zu berücksichtigen. Eine Markenanmeldung ist bösgläubig, wenn sich aus schlüssigen und übereinstimmenden Indizien ergibt, dass der Inhaber einer Marke deren Anmeldung nicht mit dem Ziel eingereicht hat, sich in lauterer Weise am Wettbewerb zu beteiligen, sondern mit der Absicht, in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden oder mit der Absicht, sich ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken - unter anderem der wesentlichen Funktion der Herkunftsangabe - zu verschaffen (EuGH, Urteil vom 12.09.2019 - C-104/18 - Koton Mağazacilik Tekstil Sanayi ve Ticaret/EUIPO [STYLO & KOTON]; EuGH, 29.01.2020 - C-371/18 - Sky u. a; EuGH, Urteil vom 19.06.2025 - C-17/24 - CeramTec).). Die Bösgläubigkeit des Anmelders ist umfassend zu beurteilen, wobei alle im jeweiligen Fall erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-529/07 - Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli; EuGH, Urteil vom 19.06.2025 - C-17/24 - CeramTec); BGH, Urteil vom 23.09.2015 - I ZR 105/14, MIR 2015, Dok. 079 - Goldbären).
2.
a) Für die Annahme einer bösgläubigen Markenanmeldung ist eine Schädigungs- oder Behinderungsabsicht des Anmelders hinsichtlich Drittinteressen erforderlich; nicht erforderlich ist ein Bezug zu einem konkreten Dritten.
b) Derjenige, der im Nichtigkeitsverfahren die Eintragung einer Marke mit der Begründung angreift, sie sei bösgläubig angemeldet worden, trägt die Beweis- beziehungsweise Feststellungslast für das Vorliegen der schlüssigen und übereinstimmenden Indizien, die Voraussetzung für die Annahme des geltend gemachten absoluten Schutzhindernisses sind. Wenn die Umstände, auf die sich der Nichtigkeitsantragsteller beruft, geeignet sind, die Vermutung der Gutgläubigkeit des Markeninhabers bei Anmeldung der Marke zu widerlegen, ist es an dem Markeninhaber, Vortrag zu seinen Absichten bei Anmeldung der Marke zu halten, insbesondere plausible Erklärungen zu den Zielen und der wirtschaftlichen Logik der Anmeldung dieser Marke abzugeben.
c) Das Vorliegen eines relativen Schutzhindernisses reicht zur Annahme der Bösgläubigkeit der Markenanmeldung allein nicht aus. Gesichtspunkte, die zur Feststellung eines relativen Eintragungshindernisses beitragen könnten, können allerdings für die Feststellung der Bösgläubigkeit des Anmelders relevant sein. Die Anmeldung eines Zeichens, das einer bekannten Marke hochgradig ähnlich oder mit ihr identisch ist, kann im Rahmen der Gesamtabwägung aller Umstände des Streitfalls dafür sprechen, dass die Markenanmeldung bösgläubig erfolgt ist, wenn weitere Umstände hinzutreten, die dies nahelegen.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 05.10.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3505
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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