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Rechtsprechung // Zivilrecht



BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24

Finanzielle Fitness - Zum Rückzahlungsanspruch bei Coaching- oder Mentoring-Verträgen und zum (persönlichen) Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes

FernUSG §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1, 12 Abs. 1; BGB §§ 13, 14, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 814, 817 Abs. 2, 818

Leitsätze:*

1. Die Begriffe "Kenntnisse" und "Fähigkeiten" nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG sind weit auszulegen; es ist insoweit die Vermittlung "jeglicher" Kenntnisse und Fähigkeiten - "gleichgültig welchen Inhalts" - angesprochen (mit Verweis auf BT-Drucks. 7/4965, S. 7). Eine irgendwie geartete "Mindestqualität" der Kenntnisse oder Fähigkeiten ist nicht erforderlich.

2. Von einer überwiegenden räumlichen Trennung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG ist auszugehen, wenn asynchrone Unterrichtsanteile überwiegen. Synchrone Unterrichtsanteile, die zusätzlich aufgezeichnet und den Teilnehmern anschließend zur Verfügung gestellt werden, sind als asynchroner Unterricht zu behandeln, weil sie zeitversetzt zu einem beliebigen Zeitpunkt angeschaut werden können und eine synchrone Teilnahme damit entbehrlich machen (hier: aufgezeichnete Online-Meetings).

3. Das Tatbestandsmerkmal der Überwachung des Lernerfolgs im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 FernUSG ist weit auszulegen und bereits dann erfüllt, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten (BGH; Urteil vom 15.10.2009 - III ZR 310/08). Es genügt dabei eine einzige Lernkontrolle. Gegenstand der Fragemöglichkeit bzw. des Fragerechts müssen jedenfalls auch die vermittelten Lerninhalte sein; es darf sich also nicht etwa lediglich um eine individuelle Beratung handeln (hier: etwa zur Unternehmensoptimierung). Für die Anwendung des FernUSG kommt es nicht darauf an, ob die im Vertrag vorgesehene Lernerfolgsüberwachung tatsächlich stattfindet

4. Der persönliche Anwendungsbereich des FernUSG ist nicht auf Fernunterrichtsverträge mit einem Verbraucher im Sinne des § 13 BGB beschränkt. Vielmehr erstreckt er sich auf alle Personen, die mit einem Veranstalter einen Vertrag über die Erbringung von Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG schließen; ob dies zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken erfolgt oder nicht, ist unerheblich (wir ausgeführt).

5. Zur Einschränkung des Rückzahlungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nach den Grundsätzen der Saldotheorie bei einem Coaching- oder Mentoring-Vertrag (hier: verneint).

MIR 2025, Dok. 051


Anm. der Redaktion: Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass „(e)ine einschränkende Auslegung des Begriffs des Teilnehmers dahingehend, dass es sich dabei um einen Verbraucher im Sinne des § 13 BGB handeln muss, nicht veranlasst sei, weil die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulässige richterliche Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion nicht vorliegen. Weder die Entstehungsgeschichte des Gesetzes noch dessen Zweck gebieten eine Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs des FernUSG auf Verbraucher.“ Diese Ansicht wird - gleichwohl höchstrichterlich entschieden - diskutabel bleiben. Ob sich der Gesetzgeber hier zu einer Klarstellung bzw. Korrektur veranlasst sieht, wird sich (hoffentlich) zeitnah ergeben. (RA Thomas Ch. Gramespacher, Bonn).
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 17.07.2025
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3485

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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