Rechtsprechung // Datenschutzrecht
OLG Stuttgart, Urteil vom 02.02.2024 - 2 U 63/22
Kein DSGVO-Schadenersatz wegen Werbebrief für Versicherungsprodukte - Für die Rechtmäßigkeit einer (postalischen) Direktwerbung ist nicht Voraussetzung, dass bereits eine Kundenbeziehung besteht
DSGVO Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f; UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2
Leitsätze:*1. Für die Rechtmäßigkeit einer (postalischen) Direktwerbung ist nicht Voraussetzung, dass bereits eine Kundenbeziehung besteht. Bei der Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO ist Erwägungsgrund Nr. 47 heranzuziehen, der die Direktwerbung beispielhaft als berechtigtes Interesse anerkennt. Unter Direktwerbung versteht die DSGVO (vgl. etwa Art. 21 Absatz 2 DSGVO) jede unmittelbare Ansprache der betroffenen Person, etwa durch Zusendung von Briefen. Weder aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO noch aus den Erwägungsgründen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Direktwerbung nur innerhalb einer bestehenden Kundenbeziehung als berechtigtes Interesse anerkannt wird. Unter dem Begriff der berechtigten Interessen sind dabei sämtliche rechtlichen, wirtschaftlichen oder ideellen Interessen zu verstehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2021 – 11 LA 16/20), die auch außerhalb oder im Vorfeld einer Kundenbeziehung liegen können.
2. Zwar sollen personenbezogene Daten nicht verarbeitet werden, wenn der Zweck der Verarbeitung in zumutbarer Weise durch andere Mittel erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen eingreifen (EuGH, Urteil vom 04.07.2023 - C-252/21, Rn. 108).
Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der postalischen Direktwerbung, kann der Werbende allerdings nicht darauf verwiesen werden, die Zusendung elektronischer Nachrichten sei weniger belastend für die Betroffenen. Denn die Versendung elektronischer Nachrichten ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen stellt nach der Wertung der deutschen Rechtsordnung eine unzumutbare Belästigung dar (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG), während die Zusendung eines Briefes mit einer sofort als Werbung erkennbaren Botschaft als zulässig bewertet wird (BGH, Urteil vom 30.04.1992 – I ZR 287/90 - Briefwerbung; BGH, Urteil vom 03.03.2011 - I ZR 167/09, MIR 2011, Dok. 061 - Kreditkartenübersendung).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 14.10.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3412
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Stuttgart, Urteil vom 08.05.2024 - 2 U 205/23, MIR 2024, Dok. 067
Die Nr. 1 mit Sternchen – Zur Wiedergabe einer beanstandeten Werbehandlung in einem abstrakten Verfügungsantrag und zum Verkehrsverständnis bei erläuterungsbedürftigen Werbeangaben
OLG Hamburg, Beschluss vom 28.08.2020 - 3 W 51/20, MIR 2020, Dok. 075
Ãœber alle Berge - Mit Hilfe einer Drohne angefertigte Luftaufnahmen unterfallen nicht der Panoramafreiheit
BGH, Urteil vom 23.10.2024 - I ZR 67/23, MIR 2024, Dok. 088
Servicepauschale - Ein (unzulässiges) zusätzliches Zahlungsmittelentgelt wird verlangt, wenn der angezeigte Preis nur für die Zahlung mit nicht gängigen Kreditkarten erhältlich ist und bei Auswahl anderer Zahlungsmittel eine sog. Servicepauschale anfällt
BGH, Urteil vom 28.07.2022 - I ZR 205/20, MIR 2022, Dok. 064
Verstoß gegen "Gemeinschaftsstandards" - Facebook darf Nutzeraccount nur in Ausnahmefällen ohne vorherige Abmahnung kündigen
Oberlandesgericht Karlsruhe, MIR 2022, Dok. 011