Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 04.07.2019 - I ZR 161/18
IVD-Gütesiegel - Zur Irreführung bei der Verwendung und Bezeichnung eines Zeichens als Gütesiegel
UWG §§ 3, 8, 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 1
Leitsätze:*1. Voraussetzung des auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruchs ist die Rechtswidrigkeit der Handlung sowohl im Zeitpunkt ihrer Vornahme als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 06.06.2019 - I ZR 206/17 - Brötchen-Gutschein, mwN). Liegt eine Irreführung aufgrund einer Änderung des Verkehrsverständnisses - nach Vornahme der beanstandeten Handlung, aber vor der gerichtlichen Entscheidung über den Unterlassungsanspruch - nicht mehr vor, entfällt die Wiederholungsgefahr.
2.
a) Eine Irreführung liegt nicht (mehr) vor, wenn sich das Verkehrsverständnis mit der Folge geändert hat, dass die beanstandete Angabe den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.
b) Ein Gütesiegel oder Prüfzeichen wird vom Verkehr dahingehend verstanden, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat. Ein solches Zeichen bietet aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist (Fortführung von BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 26/15, GRUR 2016, 1076 Rn. 39 = WRP 2016, 1221 - LGA tested).
c) Die Bestimmung des Verfahrens und der Prüfkriterien liegt grundsätzlich in der autonomen Entscheidung der vergebenden Stelle. Sie kann jedoch daraufhin überprüft werden, ob im Einzelfall - etwa unter Bezugnahme auf anerkannte technische Standards oder Normierungen der betroffenen Produktsparte - sachgerechte Kriterien festgelegt worden sind.
d) Die Zahlung einer angemessenen Gebühr für die Durchführung der Prüfung oder die Verleihung des Siegels steht der Neutralität der Prüfeinrichtung nicht entgegen.
3. Irreführend ist die Verwendung eines Gütesiegels, dessen Verleihung keine oder keine kompetente und an objektiven und aussagekräftigen Kriterien orientierte Prüfung vorausgeht.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 27.01.2020
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2947
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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