Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Stuttgart, Urteil vom 08.05.2024 - 2 U 205/23
Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung durch frühere Untätigkeit? - Zur Frage, wann die Untätigkeit des Verletzten auf einen vorangegangenen Verstoß für die durch einen neuen Wettbewerbsverstoß begründete Dringlichkeitsvermutung unschädlich ist
UWG § 12 Abs. 1; PAngV §§ 1, 3 Abs. 1; Richtlinie 98/6/EG
Leitsätze:*1. Die Dringlichkeitsvermutung kann durch das eigene Verhalten des Verfügungsklägers widerlegt werden. Sie entfällt insbesondere dann, wenn er mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet oder sich im gerichtlichen Verfahren nicht so verhält, wie dies von einer auf möglichst schnelle Rechtsdurchsetzung bedachten Partei zu erwarten wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 01.07.1999 - I ZB 7/99).
2. Obwohl jeder neue Verstoß einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen lässt, kann auch die Untätigkeit des Unterlassungsgläubigers auf einen früheren Verstoß darauf hindeuten, dass ihm an einer raschen Rechtsdurchsetzung nicht gelegen ist. Eine dahingehende Feststellung erfordert jedoch eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles. Sie wird regelmäßig nicht zu treffen sein, wenn seine Rechtsbeeinträchtigung durch den neuen Verstoß eine andere Qualität erlangt. Eine neue Qualität erlangt sie insbesondere dann, wenn die Gefahr einer wirtschaftlichen Beeinträchtigung durch den neuen Verstoß signifikant wächst. Aber auch wenn er nicht lediglich eine kerngleiche Wiederholung des vorangegangenen Unrechts darstellt, müssen weitere Umstände hinzutreten, um aus der früheren Untätigkeit heraus die Dringlichkeit in Bezug auf die Durchsetzung des neuen Anspruchs zu verneinen.
3. Für die durch einen neuerlichen Wettbewerbsverstoß begründete Dringlichkeitsvermutung aus § 12 Abs. 1 UWG ist die Untätigkeit des Verletzten auf einen vorangegangenen Verstoß regelmäßig unschädlich, wenn die Rechtsbeeinträchtigung des Verletzten durch den neuen Verstoß eine andere Qualität erlangt hat.
4. Wird in einer Werbung kein bestimmtes Produkt genannt und fehlen auch andere Angaben, welche es dem Adressaten ermöglichen, die Preiswürdigkeit eines zum Verkauf vorgehaltenen Produktes zu prüfen, so besteht keine Pflicht zur Angabe eines Gesamtpreises aus §§ 1, 3 Abs. 1 PAngV i.V.m. der RL 98/6/EG.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 22.08.2024
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3396
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