Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Nürnberg, Urteil vom 24.10.2023 - 3 U 965/23
Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung - Das volle Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen ist in der Regel nicht dringlichkeitsschädlich
UWG §§ 7 Abs. 2 Nr. 1, 7a, 12 Abs. 1; ZPO §§ 172 Abs. 1, 191, 517, 520 Abs. 2, 929 Abs. 2, 936
Leitsätze:*1. Das volle Ausschöpfen der gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen ist in der Regel nicht dringlichkeitsschädlich. Lediglich in eng begrenzten Ausnahmefällen kann eine Selbstwiderlegung durch verzögertes Betreiben des Verfahrens auch bei der Einhaltung der Rechtsmittelfristen entfallen. Ein solcher Sonderfall kommt im Rahmen der Gesamtwürdigung allenfalls in Betracht, wenn zum einen eine tatsächlich und rechtlich äußerst einfache Fallgestaltung gegeben ist, bei der keinerlei weitere tatsächliche Ermittlungen anzustellen und keine weiteren Glaubhaftmachungsmittel zu beschaffen sind, und wenn zum anderen der Verfügungskläger auch durch sein sonstiges Verhalten zum Ausdruck bringt, dass ihm selbst die Sache nicht so eilig ist.
2. Ein Werbeanruf gegenüber einem Verbraucher ist gegeben, wenn im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses die Fortsetzung oder Erweiterung der Vertragsbeziehung angestrebt wird; ferner, wenn ein Kunde abgeworben oder ein abgesprungener Kunde zur Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung bestimmt werden soll (und sei es auch nur durch Befragen nach den Gründen seines Wechsels) oder ein Kunde von der Ausübung eines Vertragsauflösungsrechts (Widerruf, Rücktritt, Kündigung, Anfechtung) abgehalten oder abgebracht werden soll.
3. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung in Werbeanrufe trägt der Werbende (BGH, Urteil vom 11.03.2004 - I ZR 81/01 - E-Mail-Werbung I; BGH, Urteil vom 12.09.2013 - I ZR 208/12, MIR 2013, Dok. 073 - Empfehlungs-E-Mail). Wer mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher wirbt, hat nach § 7a UWG dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß § 7a Abs. 2 Satz 1 UWG aufzubewahren.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 09.11.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3319
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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