Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021 - I-20 W 11/21
Ausgeflogen - § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG erfasst nicht nur Verstöße gegen internetspezifische Kennzeichnungsvorschriften
UWG § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1
Leitsätze:*1. § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG erfasst nicht nur Verstöße gegen internetspezifische Kennzeichnungsvorschriften. Weder der Wortlaut enthält eine solche Einschränkung noch lässt sich diese mit Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen (wird ausgeführt).
2. Die Gerichtsstände des § 14 Abs. 2 UWG n.F. sind nicht ausschließlich. Die Ausschließlichkeit der Gerichtsstände des § 14 UWG a.F. wurde aus den Worten "außerdem nur" hergeleitet (mit Verweis auf: Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 14 Rn. 1). Das Wort "nur" fehlt bewusst in der Neufassung; der Gesetzgeber wollte damit ausdrücklich erreichen, dass die in Abs. 2 genannten Gerichtsstände nicht mehr ausschließlich und damit nunmehr einer Vereinbarung oder einer rügelosen Einlassung zugänglich sind (BT-Drs. 19/12084 Seite 35).
3. Zur Verletzung der Grundsätze der prozessualen Waffengleichheit, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüber der Abmahnung umfangreiche Ausführungen zur Auslegung einer Norm (hier § 14 Abs. 2 UWG n.F.) umfasst. Damit wird der Antrag "sonst mit ergänzendem Vortrag begründet" (mit Verweis auf: BVerfG, Beschluss vom 11.01.2021, 1 BvR 2681/20 Rz. 32 a.E; BVerfG, WRP 2021, 181).
Die Antragsgegnerin hatte gegen die Entscheidung des Landgerichts (WRP 2021, 395) eine nach Auffassung des Gerichts hier unstatthafte sofortige Beschwerde eingelegt, mit der Begründung, ihr werde der gesetzliche Richter entzogen und das Landgericht hätte auf ihre Rüge hin vorab über seine Zuständigkeit nach § 17a GVG entscheiden müssen.
Das Oberlandesgericht nimmt - trotz der Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels - sehr prägnant zu der Entscheidung des Landgerichts Stellung: Die Voraussetzungen unter denen das Landgericht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa: Beschluss vom 11.01.2021 - 1 BvR 2681/20; BVerfG, WRP 2021, 181) von einer Anhörung der Antragsgegnerin vor Erlass der Beschlussverfügung hätte absehen dürfen, hätten ersichtlich nicht vorgelegen (Stichwort: Prozessuale Waffengleichheit). Auch seine Beurteilung der landgerichtlichen Entscheidung zur Zuständigkeit leitet das Oberlandesgericht mit einiger Deutlichkeit ein: „Die Kammer wird im Falle eines Widerspruchs ihre Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit hinsichtlich der Anträge (...) überprüfen müssen. Gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des – auf das vorliegende Verfahren im Hinblick auf seine Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs - anwendbaren § 14 Abs. 2 UWG n.F. bestehen erhebliche Bedenken.“
Es ist mitunter bedenklich, wenn Gerichte sich - gerade in Eilverfahren - scheinbar lapidar gegen eindeutige verfassungsrechtliche, höchstrichterliche und auch gesetzgeberische Vorgaben "stemmen", mag einem aus praktischer Sicht das Ergebnis auch unter bestimmten Aspekten einleuchten oder sogar zuträglich sein. In seiner Bindung an Recht und Gesetz verbleibt dem Richter natürlich und auch notwendigerweise Spielraum (allein zur Fortbildung des Rechts). Den verbleibenden Rahmen, Grenzen der Auslegung und Methodik, sehr offen zu verlassen, bringt das Gericht aber sodann in den Geruch der „persönlichen Willkür“. Das kann es selbst nicht wollen, das wollen die Parteien nicht, das ist abträglich für den Rechtsstaat. Dieses Spiel wird immerhin mit echten Parteien und echten Fällen gespielt. Das Oberlandesgericht hat dies erkannt. (RA Thomas Ch. Gramespacher, Bonn)
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 18.02.2021
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