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Rechtsprechung // Verfahrensrecht



OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.02.2023 - 3 W 290/23

Sachgerechte Prozessführung - Wegfall der Dringlichkeitsvermutung bei Nichtbegründung einer sofortigen Beschwerde gegen einen zurückweisenden Beschluss im Verfügungsverfahren

ZPO §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569, 571, 572, 940

Leitsätze:*

1. Legt der Antragsteller in einem Verfügungsverfahren gegen einen zurückweisenden Beschluss sofortige Beschwerde ein, ohne diese entgegen seiner Ankündigung zu begründen, ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau der maßgeblichen Umstände der Verfügungsgrund regelmäßig zu verneinen, weil der Antragsteller dadurch zu erkennen gibt, dass es ihm mit der Durchsetzung seiner Ansprüche nicht eilig ist.

2. Im Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Verfügung muss der Antragsteller durch sein prozessuales Verhalten zu erkennen geben, dass sein Begehren (weiterhin) dringlich ist. Dies ist mittels Gesamtbetrachtung seines Verhaltens zu eruieren. Auf einen Hinweis des Gerichts muss der Antragsteller, auch ohne Fristsetzung, so schnell wie möglich und geboten reagieren. Gesetzte Fristen sind einzuhalten.

3. Die Pflicht zur zügigen Rechtsverfolgung setzt sich für den in erster Instanz unterlegenen Antragsteller in der Beschwerde- oder Berufungsinstanz fort. So muss der noch ungesicherte Verfügungskläger im Berufungsverfahren den geltend gemachten Anspruch zügig weiterverfolgen. Ihm ist es daher jedenfalls zuzumuten, eine eingelegte Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (OLG München, Urteil vom 30.06.2016 - 6 U 531/16) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge (OLG Dresden, Beschluss vom 25.07.2019 - 4 U 1087/19) oder einen Terminsverlegungsantrag (OLG München, Beschluss vom 16.09.2021 – 29 U 3437/21 Kart. = MIR 2021, Dok. 083) das Verfahren zu verzögern.

4. Gleiches kann bei der Nichtbegründung einer Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist gelten. Zwar ist die Beschwerde - wenn sie nicht begründet wird – gleichwohl zulässig. Sie soll jedoch nach § 571 Abs. 1 ZPO begründet werden. Es entspricht daher einer sachgerechten Prozessführung, dem Rechtsmittelgericht gegenüber zeitnah zum Ausdruck zu bringen, aus welchen Gründen die Entscheidung angefochten wird (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.05.2013 - 11 W 13/13). Auch das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet und ob es ihr dementsprechend abhilft. Dies setzt in aller Regel - angesichts der vorangegangenen ablehnenden Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts - eine Beschwerdebegründung voraus (KG Berlin, Beschluss vom 20.09.2016 - 5 W 147/16). Insbesondere bei einem Rechtsmittelführer, der den Weg des einstweiligen Verfügungsverfahrens eingeschlagen hat, legt eine sachgerechte Prozessführung es nahe, die Beschwerdebegründung innerhalb der Beschwerdefrist oder jedenfalls im engen zeitlichen Zusammenhang mit ihr einzureichen (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 28.05.2013 - 11 W 13/13).

MIR 2023, Dok. 026


Anm. der Redaktion: Leitsatz 1 ist der Leitsatz des Gerichts.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 05.04.2023
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3270

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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