Rechtsprechung // Verfahrensrecht
BGH, Beschluss vom 30.11.2022 - IV ZB 17/22
Eingang beim Gericht bei Übermittlung via beA - Ein über das beA eingereichtes Dokument ist wirksam beim zuständigen Gericht eingegangen, wenn es auf dem Empfänger-Intermediär für dieses Gericht im Netzwerk für das EGVP gespeichert wurde
ZPO § 130a Abs. 5 Satz 1, § 233 Satz 1, § 85 Abs. 2
Leitsätze:*1.
a) Ein über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichtes elektronisches Dokument ist erst dann gemäß § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO wirksam bei dem zuständigen Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist.
b) An die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA sind keine geringeren Anforderungen zu stellen als bei der Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax (hier: Übermittlung der Berufungsbegründung an falschen Empfänger).
2. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht (vgl. BGH, Beschluss vom 15.06.2022 - IV ZB 30/21; BGH, Beschluss vom 11.05.2021 - VIII ZB 9/20, m.w.N.). Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per beA entsprechen dabei denjenigen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax (BGH, Beschluss vom 14.02.2022 - VIa ZB 6/21). Auch bei der Nutzung des beA ist es deshalb unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 11.05. 2021 - VIII ZB 9/20 m.w.N). Aus diesem Grund umfassen die Kontrollpflichten auch die Überprüfung der nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO übermittelten automatisierten Bestätigung, ob die Rechtsmittelschrift an das richtige Gericht übermittelt worden ist (vgl. zur Pflicht einer Überprüfung des Sendeprotokolls hinsichtlich des richtigen Empfängers nach Übersendung per Telefax BGH, Beschluss vom 11.05.2021- - VIII ZB 9/20; BGH, Beschluss vom 19.12.2017 - XI ZB 16/17). Diese Sorgfaltsanforderungen hat der Rechtsanwalt selbst zu erfüllen, wenn er - wie hier - persönlich die Versendung der fristwahrenden Schriftsätze übernimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 10.02.2016 - VII ZB 36/15, m.w.N).
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 21.12.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3243
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