Kurz notiert // Zivilrecht
Bundesgerichtshof
AGB-Klausel zur Fernabschaltung einer gemieteten Autobatterie für Elektrofahrzeuge durch den Vermieter unwirksam
BGH, Urteil vom 26.10.2022 – XII ZR 89/21; Vorinstanz: LG Düsseldorf, Urteil vom 11.12.2019 - 12 O 63/19; OLG Düsseldorf, 07.10.2021 - 20 U 116/20
MIR 2022, Dok. 082, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof (XII. Zivilsenat) hat mit Urteil vom 26.10.2022 ( XII ZR 89/21) über die Zulässigkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Mietvertrags über eine Autobatterie für Elektrofahrzeuge entschieden, die dem Vermieter eine Fernabschaltung der Batterie ermöglicht.
Zur Sache:
Der Kläger hat als Verbraucherschutzverein gegen die Beklagte, eine französische Bank, die Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln bei Vermietung von Batterien für Elektrofahrzeuge geltend gemacht. Die Beklagte vermietet Batterien für von ihren Kunden gekaufte oder geleaste Elektrofahrzeuge. Hierfür verwendet sie "Allgemeine Batterie-Mietbedingungen", die ihr als Vermieterin im Fall der außerordentlichen Vertragsbeendigung durch Kündigung nach entsprechender Ankündigung die Sperre der Auflademöglichkeit der Batterie erlauben. Der Kläger macht geltend, die AGB-Klausel sei unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung der Mieter enthalte.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung einer Verwendung der Klausel gegenüber Verbrauchern verurteilt. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Das Sperren der Auflademöglichkeit stelle eine verbotene Eigenmacht gemäß § 858 Abs. 1 BGB dar. Ein Eingriff in die unmittelbare Sachherrschaft des Besitzers dürfe aber nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels erfolgen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis bestätigt.
Fernzugriff auf vermietete Batterie stellt Besitzstörung dar - Mitbesitzfrage offen gelassen
Dabei bedurfte die Annahme des Berufungsgerichts, die Sperrung der Auflademöglichkeit löse Ansprüche der Mieter aus Besitzschutz aus, keiner abschließenden Beurteilung. Zwar stelle ein Fernzugriff auf die vermietete Batterie eine Besitzstörung im Sinne des § 858 BGB dar. Ein Besitzschutz gegen die bloße Besitzstörung wäre aber ausgeschlossen, wenn der Vermieter aufgrund seiner Zugriffsmöglichkeit auf die Batterie deren Mitbesitzer geblieben wäre. Unter Mitbesitzern bestünde nach § 866 BGB ein Besitzschutz nur gegen eine - hier nicht vorliegende - vollständige Entziehung des Besitzes. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob in solchen Fällen ein Mitbesitz vorliegt, bedurfte hier aber keiner Entscheidung.
Jedenfalls: Einseitige Vertragsgestaltung - unangemessene Benachteiligung
Denn die streitgegenständliche Klausel stelle jedenfalls eine einseitige Vertragsgestaltung dar, mit der die Beklagte missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten der Mieter durchzusetzen versucht, ohne deren Interessen angemessen zu berücksichtigen. Durch die allein in der Macht des Vermieters liegende Sperrmöglichkeit werde die Last, sich die weitere Nutzung zu sichern, auf den Mieter abgewälzt. Darin liege jedenfalls dann eine unangemessene Benachteiligung des Mieters als Verbraucher, wenn dieser die Weiterbenutzung seines - gesondert erworbenen, geleasten oder gemieteten - E-Fahrzeugs im Streitfall nur durch gerichtliche Geltendmachung einer weiteren Gebrauchsüberlassung der Batterie erreichen kann. Zwar liege es grundsätzlich im berechtigten Interesse des Vermieters, dass er nach wirksamer Beendigung des Mietvertrags die weitere Nutzung des Mietobjekts unterbinden kann. Auf der anderen Seite stehe aber das Interesse des Mieters, sich die weitere Vertragserfüllung zu sichern. Dieses sei jedenfalls dann als berechtigt anzuerkennen, wenn die Wirksamkeit der Kündigung zwischen den Vertragsparteien streitig ist. Berufe sich etwa der Mieter auf eine Mietminderung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln, so laufe er Gefahr, dass der Vermieter ungeachtet dessen die Kündigung erklärt und das Mietobjekt per Fernzugriff sperrt. Das gewinne insbesondere dann an Bedeutung, wenn das Mietobjekt und dessen fortgesetzte Nutzung für den Mieter von erheblichem Interesse sind.
Risikoverteilung gestört
Dementsprechend sei die gesetzliche Risikoverteilung beim Mietverhältnis dadurch geprägt, dass der Vermieter aufgrund der Überlassung des Mietobjekts grundsätzlich das Risiko der nach Mietvertragsbeendigung fortgesetzten (Ab-)Nutzung trägt. Dagegen könne er sich durch Vereinbarung einer Mietkaution absichern. Außerdem stehe ihm ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB zu. Die streitgegenständliche Klausel erlaube dagegen einen Zugriff auf die Batterie und mittelbar auch auf das E-Fahrzeug, das für den Mieter infolge der Batteriesperrung nutzlos wird. Dadurch, dass die Batterie herstellergebunden und mit dem E-Fahrzeug verknüpft ist, habe der Mieter keine zumutbare Möglichkeit, die gesperrte Batterie durch ein anderes Fabrikat zu ersetzen, um das E-Fahrzeug weiter betreiben zu können. Mit dem E-Fahrzeug werde somit neben der Batterie ein wesentlich höherwertiger Vermögensbestandteil für ihn unbrauchbar bzw. ein Nutzungsrecht daran entwertet. Hinzu komme, dass das längerfristig angeschaffte bzw. gesondert gemietete oder geleaste E-Fahrzeug vom Mieter nicht selten beruflich genutzt wird und regelmäßig auch für die private Lebensgestaltung von wesentlicher Bedeutung ist.
Hier letztlich Verstoß gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB
Wenn unter diesen Umständen bei einem Streit über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung abweichend von der gesetzlichen Risikoverteilung die Klagelast durch allgemeine Geschäftsbedingungen auf den Mieter abgewälzt werden soll, verstoße die entsprechende Klausel gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB. Denn der mit der Sperrung einhergehende Ausschluss von der Nutzung der Batterie und folglich auch des E-Fahrzeugs gehe mit seinen Wirkungen über die Batterie als Mietobjekt wesentlich hinaus. Eine solche Gestaltung lasse sich auch nicht durch das Interesse der Beklagten an der Sicherung gegen den mit der Abnutzung der Batterie nach Vertragsbeendigung verbundenen Vermögensschaden rechtfertigen.
(tg) - Quelle: PM Nr. 151/2022 des BGH vom 26.10.2022
Zur Sache:
Der Kläger hat als Verbraucherschutzverein gegen die Beklagte, eine französische Bank, die Unterlassung der Verwendung von AGB-Klauseln bei Vermietung von Batterien für Elektrofahrzeuge geltend gemacht. Die Beklagte vermietet Batterien für von ihren Kunden gekaufte oder geleaste Elektrofahrzeuge. Hierfür verwendet sie "Allgemeine Batterie-Mietbedingungen", die ihr als Vermieterin im Fall der außerordentlichen Vertragsbeendigung durch Kündigung nach entsprechender Ankündigung die Sperre der Auflademöglichkeit der Batterie erlauben. Der Kläger macht geltend, die AGB-Klausel sei unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung der Mieter enthalte.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung einer Verwendung der Klausel gegenüber Verbrauchern verurteilt. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Das Sperren der Auflademöglichkeit stelle eine verbotene Eigenmacht gemäß § 858 Abs. 1 BGB dar. Ein Eingriff in die unmittelbare Sachherrschaft des Besitzers dürfe aber nur aufgrund eines staatlichen Vollstreckungstitels erfolgen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis bestätigt.
Fernzugriff auf vermietete Batterie stellt Besitzstörung dar - Mitbesitzfrage offen gelassen
Dabei bedurfte die Annahme des Berufungsgerichts, die Sperrung der Auflademöglichkeit löse Ansprüche der Mieter aus Besitzschutz aus, keiner abschließenden Beurteilung. Zwar stelle ein Fernzugriff auf die vermietete Batterie eine Besitzstörung im Sinne des § 858 BGB dar. Ein Besitzschutz gegen die bloße Besitzstörung wäre aber ausgeschlossen, wenn der Vermieter aufgrund seiner Zugriffsmöglichkeit auf die Batterie deren Mitbesitzer geblieben wäre. Unter Mitbesitzern bestünde nach § 866 BGB ein Besitzschutz nur gegen eine - hier nicht vorliegende - vollständige Entziehung des Besitzes. Die in der Literatur umstrittene Frage, ob in solchen Fällen ein Mitbesitz vorliegt, bedurfte hier aber keiner Entscheidung.
Jedenfalls: Einseitige Vertragsgestaltung - unangemessene Benachteiligung
Denn die streitgegenständliche Klausel stelle jedenfalls eine einseitige Vertragsgestaltung dar, mit der die Beklagte missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten der Mieter durchzusetzen versucht, ohne deren Interessen angemessen zu berücksichtigen. Durch die allein in der Macht des Vermieters liegende Sperrmöglichkeit werde die Last, sich die weitere Nutzung zu sichern, auf den Mieter abgewälzt. Darin liege jedenfalls dann eine unangemessene Benachteiligung des Mieters als Verbraucher, wenn dieser die Weiterbenutzung seines - gesondert erworbenen, geleasten oder gemieteten - E-Fahrzeugs im Streitfall nur durch gerichtliche Geltendmachung einer weiteren Gebrauchsüberlassung der Batterie erreichen kann. Zwar liege es grundsätzlich im berechtigten Interesse des Vermieters, dass er nach wirksamer Beendigung des Mietvertrags die weitere Nutzung des Mietobjekts unterbinden kann. Auf der anderen Seite stehe aber das Interesse des Mieters, sich die weitere Vertragserfüllung zu sichern. Dieses sei jedenfalls dann als berechtigt anzuerkennen, wenn die Wirksamkeit der Kündigung zwischen den Vertragsparteien streitig ist. Berufe sich etwa der Mieter auf eine Mietminderung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln, so laufe er Gefahr, dass der Vermieter ungeachtet dessen die Kündigung erklärt und das Mietobjekt per Fernzugriff sperrt. Das gewinne insbesondere dann an Bedeutung, wenn das Mietobjekt und dessen fortgesetzte Nutzung für den Mieter von erheblichem Interesse sind.
Risikoverteilung gestört
Dementsprechend sei die gesetzliche Risikoverteilung beim Mietverhältnis dadurch geprägt, dass der Vermieter aufgrund der Überlassung des Mietobjekts grundsätzlich das Risiko der nach Mietvertragsbeendigung fortgesetzten (Ab-)Nutzung trägt. Dagegen könne er sich durch Vereinbarung einer Mietkaution absichern. Außerdem stehe ihm ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB zu. Die streitgegenständliche Klausel erlaube dagegen einen Zugriff auf die Batterie und mittelbar auch auf das E-Fahrzeug, das für den Mieter infolge der Batteriesperrung nutzlos wird. Dadurch, dass die Batterie herstellergebunden und mit dem E-Fahrzeug verknüpft ist, habe der Mieter keine zumutbare Möglichkeit, die gesperrte Batterie durch ein anderes Fabrikat zu ersetzen, um das E-Fahrzeug weiter betreiben zu können. Mit dem E-Fahrzeug werde somit neben der Batterie ein wesentlich höherwertiger Vermögensbestandteil für ihn unbrauchbar bzw. ein Nutzungsrecht daran entwertet. Hinzu komme, dass das längerfristig angeschaffte bzw. gesondert gemietete oder geleaste E-Fahrzeug vom Mieter nicht selten beruflich genutzt wird und regelmäßig auch für die private Lebensgestaltung von wesentlicher Bedeutung ist.
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(tg) - Quelle: PM Nr. 151/2022 des BGH vom 26.10.2022
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 26.10.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3225
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