Rechtsprechung // Urheberrecht
OLG Hamburg, Beschluss vom 10.02.2022 - 5 W 58/21
Produktfotografien - Bei einem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch kann der Streitwert im einstweiligen Verfügungsverfahren mit EUR 8.000,00 pro professionellem Produktfoto angemessen angesetzt sein
ZPO § 3; UrhG § 19a
Leitsätze:*1. Die Bemessung des Streitwerts in gerichtlichen Auseinandersetzungen hat unter umfassender Berücksichtigung der jeweiligen Einzelumstände des Rechtsstreits und nicht nach Regelstreitwerten zu erfolgen. Ausgangspunkt und Maß der Bewertung des Streitwerts gemäß § 3 ZPO ist nach den allgemeinen Grundsätzen das nach objektiven Maßstäben zu beurteilende individuelle Interesse des Anspruchstellers. Bei urheberrechtlichen Unterlassungsansprüchen richtet sich deren Wert nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bewerten (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 04.11.2021 - I ZR 153/20). Anhaltspunkte sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sog. Angriffsfaktor; BGH, Versäumnisurteil vom 30.03.2017 - I ZR 124/16). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt (BGH, Versäumnisurteil vom 30.03.2017 - I ZR 124/16). Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des Anspruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu (BGH, Versäumnisurteil vom 30.03.2017 - I ZR 124/16). Allerdings kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren - etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen - Rechnung zu tragen sein (BGH, Versäumnisurteil vom 30.03.2017 - I ZR 124/16).
2. Bei einem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch kann der Streitwert im einstweiligen Verfügungsverfahren mit EUR 8.000,00 pro professionellem Produktfoto angemessen angesetzt sein, wenn die betreffende Fotografie von einem professionellen Fotografen erstellt wurde, sich von einem Schnappschuss erkennbar abhebt, die Qualität der streitgegenständlichen Bilder systematisch zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken des Verletzers ausgewertet werden und der Angriffsfaktor daher als erheblich anzusehen ist (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 13.09.2018 - I ZR 187/17, MIR 2018, Dok. 060 - Sportwagenfoto)
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 16.09.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3211
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG München, Beschluss vom 16.09.2021 - 29 U 3437/21 Kart, MIR 2021, Dok. 083
Nachtrag als milderes Mittel - Kein Unterlassungsspruch und keine Löschung bei einem nicht mehr aktuellem Beitrag über ein Gerichtsverfahren auf der Homepage eines Rechtsanwalts
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.01.2023 - 16 U 255/21, MIR 2023, Dok. 016
Haftung für Affiliates - Keine Beauftragtenhaftung des Betreibers eines Affiliate-Programms, wenn die Werbung über einen Affiliate-Link Teil eines von dem Affiliate inhaltlich in eigener Verantwortung und eigenem Interesse gestalteten Produkts ist
BGH, Urteil vom 26.01.2023 - I ZR 27/22, MIR 2023, Dok. 012
Riptide II - Die besonderen Umstände des Einzelfalls nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG müssen die bereits nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG tatbestandlich zu berücksichtigenden Merkmale überwiegen, um von einer Begrenzung des Gegenstandswerts absehen zu können
BGH, Urteil vom 01.09.2022 - I ZR 108/20, MIR 2022, Dok. 095
Bundesnachrichtendienst darf Telefonie-Metadaten nicht speichern und nutzen
Bundesverwaltungsgericht, MIR 2017, Dok. 045