Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 10.02.2022 - 6 U 126/21
Google-Ads und kennzeichenmäßige Verwendung - Schadensersatz wegen einer unberechtigter Schutzrechtsverwarnung aufgrund einer Google-Ads-Anzeige
BGB § 823 Abs. 1; MarkenG § 15 Abs. 2
Leitsätze:*1. Eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion liegt in aller Regel nicht vor, wenn eine (Google-Ads-) Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig getrennten und entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint und selbst weder die Marke noch sonst einen Hinweis auf den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthält (gefestigte Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 27.06.2013 - I ZR 53/12, MIR 2014, Dok. 001 - Fleurop; BGH, Urteil vom 13.12.2012 - I ZR 217/10, MIR 2013, Dok. 012 - MOST-Pralinen, m.w.N.). Der verständige Internetnutzer erwartet in einem von der Trefferliste räumlich, farblich oder auf andere Weise deutlich abgesetzten und mit dem Begriff "Anzeigen" gekennzeichneten Werbeblock nicht ausschließlich Angebote des Markeninhabers oder mit ihm verbundener Unternehmen. Ihm ist klar, dass eine notwendige Bedingung für das Erscheinen der Anzeige vor allem deren Bezahlung durch den Werbenden ist. Ihm ist zudem bekannt, dass regelmäßig auch Dritte bezahlte Anzeigen bei Suchmaschinen schalten. Er hat daher keinen Anlass zu der Annahme, eine bei Eingabe einer Marke als Suchwort in der Anzeigenspalte erscheinende AdWords-Anzeige weise allein auf das Angebot des Markeninhabers oder eines mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmens hin. Rechnet der Internetnutzer mit Angeboten, die nicht vom Markeninhaber oder von mit ihm verbundenen Unternehmen stammen, bedarf es daher keines Hinweises auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber, um eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion auszuschließen. Für geschäftliche Bezeichnungen kann insoweit nichts anderes gelten.
2. Auch bei einer Werbeanzeige, die bei Google in einem vom generischen Suchergebnis abgetrennten Bereich angezeigt und mit "Anzeige" gekennzeichnet ist, kann ausnahmsweise ein Hinweis auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber erforderlich sein (EuGH GRUR 2011, 1124 - Interflora/M&S).
3. Verfügt der Markeninhaber über ein Vertriebsnetz, zu dem die Beklagte durch eine Adwords-Anzeige Zugehörigkeit suggerieren könnte, gilt dies allerdings nur, wenn der Verkehr auch Kenntnis von einem derartigen Vertriebssystem hat.
4. Beschränkt sich die Anzeige auf eine allgemeine Bewerbung (hier von "unsichtbaren Zahnspangen") liegt keine kennzeichenmäßige Benutzung vor.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 15.03.2022
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/3167
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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