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Rechtsprechung



LG München I, Urteil vom 22.02.2006 - Az. 21 O 17367/03

Zur Werbung - für Presseprodukte - mit Bildnissen von prominenten Personen der Zeitgeschichte ohne ausdrückliche Einwilligung des Abgebildeten. Zur Berechnung des Schadens, der einem Prominenten durch eine ungefragt mit seinem Bild durchgeführte Werbekampagne zu ersetzen ist. §§ 22 Satz 1, 23 Abs. 1 Ziffer 1, 23 Abs. 2 KUG, Art. 5 Abs. 1 GG

Leitsätze (tg):

1. Nach § 22 Satz 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung abgebildet werden, wobei allerdings Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte dem Einwilligungsvorbehalt nicht unterliegen, § 23 Abs. 1 Ziffer 1 KUG.

2. Für sogenannte absolute Personen der Zeitgeschichte (hier: ein ehemaliger berühmter Berufstennisspieler) gilt, dass am Leben und Wirken solcher Personen ein legitimes Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht, welches in der Regel das individuelle Anonymitätsinteresse überwiegt. Der Grundsatz, dass absolute Personen der Zeitgeschichte die Veröffentlichung ihrer Bildnisse vielfach auch dann hinnehmen müssen, wenn diese sie nicht bei der Wahrnehmung einer öffentlichen Funktion zeigen, gilt insoweit fort, obgleich die Rechtsprechung die Grenzen enger gezogen hat (vgl. insb. die "Caroline von Monaco"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).

3. Die Abbildungsfreiheit ist nicht schrankenlos, sondern wird durch die berechtigten Interessen des Abgebildeten gemäß § 23 Abs. 2 KUG begrenzt.

4. Die Verwendung eines Bildes für Werbezwecke erweist sich nur dann als zulässig, wenn sie von der ausdrücklichen Einwilligung des Abgebildeten gedeckt ist. Dies gilt auch für die Verwendung des Bildes einer Person der Zeitgeschichte. Denn die werbemäßge Verwendung von Bildnissen dient grundsätzlich nicht dem Allgemeininteresse an einer sachgerechten Information, sondern allein den Geschäftsinteressen der mit der fraglichen Abbildung Kundenwerbung betreibenden Firma.

5. Es besteht ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten nicht zu einem Objekt der wirtschaftlichen Interessen eines Werbetreibenden gemacht zu werden; dies insbesondere auch dann, wenn ein Prominenter ähnliche Kampagnen freiwillig und zum Zwecke des eigenen Gelderwerbs bereits unternommen hat. Insoweit bleibt es auch für Prominente, die ihre Bekanntheit gezielt verwerten bei dem Grundsatz, dass auch eine Person der Zeitgeschichte nicht ohne ihre Einwilligung zu Werbezwecken eingesetzt werden darf.

6. Zwar fällt die Eigenwerbung von Verlagen für die von ihnen herausgegebenen Presseerzeugnisse unter den Schutz der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, da nur Presseerzeugnisse, die der Öffentlichkeit auch bekannt gemacht werden in der Lage sind, an der öffentlichen Meinungsbildung teil zu haben. Werden hierbei Informationen, die in dem Presserzeugnis verbreitet werden, dazu eingesetzt, im Sinne einer Produktwerbung das Interesse der Öffentlichkeit für das Presseerzeugnis zu wecken, müssen Personen, deren Presönlichkeitsrecht durch die Freiheit der Berichterstattung und der Werbung mit dieser beeinträchtigt ist, dies grundsätzlich hinnehmen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Werbewert einer derart prominenten Person gezielt ausgenutzt wird, um für das zukünftige Produkt zu werben, ohne dass ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit auf vermneintliche in diesem Presseerzeugnis enthaltene, tatsächlich aber nie erschienene Information bestehen könnte (Stichwort: fiktive Inhalte zum Zwecke der Werbung).

7. Der Schaden, der einem Prominenten (hier Ex-Tennisprofi) durch eine ungefragt mit seinem Portrait durchgeführte Werbekampagne zu ersetzen ist, ergibt sich aus der - nach der Lizenzanalogie relevanten - fiktiven Lizenz. Hierbei sind Kriterien wie der Grad der Bekanntheit und das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien an der Person heranzuziehen. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass gerade für eine besonders in der Öffentlichkeit stehende Person, die kontrovers diskutiert wird, ein erhöhter Aufmerksamkeitswert bestehen kann, der sich aus den die Öffentlichkeit interessierenden echten und vermeintlichen Skandalen um die Person ergibt. Weiterhin ist darauf abzuheben, welchen Preis die Person bei einer vergleichbaren Werbekampagne im gleichen Zeitpunkt hätte erzielen können. Wird die jeweilige Person in einer "unberechtigten Kampagne" nicht als aktiver Fürsprecher ("testimonial") für das jeweilige Produkt eingesetzt, kann ein Abschlag gerechtfertigt sein (hier: 40 %), da durch eine nur passive Ausnutzung des Bildnisses der Person, sich deren Werbewert für etwaige weitere Kampagnen nicht im gleichen Maße verbraucht wie bei einem Einsatz als "testimonial".

8. Die erhöhten Verzugszinsen von 8 % über Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB sind ausnahmsweise auch bei Schadensersatzforderungen geschuldet, wenn der Schaden aus der Verletzung eines absoluten Rechts im Wege der Lizenzanalogie berechnet wurde. Dies ergibt sich aus einer erweiternden Auslegung des Begriffs "Entgeltforderungen" in § 288 Abs. 2 BGB n.F.

MIR 2006, Dok. 094


Ein herzlicher Dank für die Mitteilung der Entscheidung gilt Herrn Richter am Landgericht Dr. Peter Guntz

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 10.07.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/309

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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