Rechtsprechung
KG Berlin, Beschluss vom 20.03.2006 - Az. 10 W 27/05
Die Verantwortlichkeit für den Inhalt einer Internet-Suchmaschine richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Störerhaftung und setzt damit die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Der Admin-C einer Internetdomain unter der eine Meta-Suchmaschine betrieben wird, haftet im Verhältnis zum Betreiber der Suchmaschine nachrangig auf Beseitigung und Unterlassung der rechtsverletzenden Inhalte. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB
Leitsätze (tg):
1.Die Frage einer Störerhaftung des Betreibers einer Meta-Suchmaschine bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen.
Der Gesetzgeber hat die Verantwortlichkeit für den von einer Internet-Suchmaschine wiedergegebenen
Inhalt im Rahmen der Novelierung des Teledienstgesetzes in Anlehnung an die Richtlinie über den elektronischen
Warenverkehr (vgl. Art 21 Abs. 2 der Ril 2000/31/EG - E-Commerce-Ril, ABIEG Nr. L 178 vom 17.Juli 2000) bewusst nicht geregelt.
Es fehlt deshalb auch an einer, eine analoge Anwendung der spezialgesetzlichen Regelungen des Teledienstegessetzes rechtfertigenden, planwidrigen Lücke.
2. Die Verantwortlichkeit des Betreibers einer Suchmaschine als Störer setzt die Verletzung von Prüfungspflichten voraus,
wobei sich deren Umfang unter anderem danach bestimmt, inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist.
Da der Betreiber einer Meta-Suchmaschine lediglich die Suchergebnisse anderer Suchdienste auswertet und dem Nutzer
brauchbare Informationen aus einer gigantischen Informationsmenge in Kürze nur in einem automatisierten Verfahren vermittelt werden können, ist es
insbesondere nicht möglich und nicht zumutbar, jedes Rechercheergebnis vor der Anzeige des Abfrageergebnisses auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu
überprüfen.
3. Eine Störerhaftung des administrativen Ansprechpartners (Admin-C) für persönlichkeitsverletzende Inhalte kommt grundsätzlich in Betracht,
da dieser durch die Übernahme seiner Funktion willentlich und adäquat kausal zu Störungen beiträgt, die von rechtswidrigen Inhalten der Webseite
ausgehen. Allerdings trifft den Admin-C dann erst eine Prüfungspflicht, wenn der Domaininhaber und Betreiber einer Meta-Suchmaschine zuvor
erfolglos aufgefordert worden ist, den persönlichkeitsverletzenden Suchergebniseintrag zu löschen, wenn eine derartige Aufforderung von
vorne herein keinen Erfolg verspricht (z.B. Verweigerung der Löschung) oder wenn der Domaininhaber (Betreiber) anderweitig nicht greifbar ist.
4. Der Admin-C einer Internetdomain unter der eine Meta-Suchmaschine betrieben wird, haftet im Verhältnis zum Betreiber der Suchmaschine nachrangig
auf Beseitigung und Unterlassung der rechtsverletzenden Inhalte.
5. Besteht die Beeinträchtigung in der Darbietung persönlichkeitsverletzender Inhalte auf den Webseiten einer Internetsuchmaschine, kommen als
Maßnahmen zur Unterbindung zukünftiger Störungen die Löschung bzw. Blockierung des Links oder die Löschung der Domain in Betracht.
6. Der Anspruchsteller (Unterlassungsgläubiger) ist darlegungsbelastet dafür, dass der Betreiber (hier einer Meta-Suchmaschine) erfolglos zur
Löschung rechtsverletzender Einträge aufgefordert wurde und dass die (vorangige) Inanspruchnahme des Betreibers von vorneherein nicht erfolgsversprechend
war.
MIR 2006, Dok. 090
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 02.07.2006
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/305
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