Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 21.08.2019 - VIII ZR 265/18
Informationspflicht zur alternativen Streitbeilegung - Erklärung der Bereitschaft zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle "im Einzelfall" nicht klar und verständlich
VSBG § 36 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:*1. § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG stellt mehrere Anforderungen an die allgemeine Informationspflicht des Unternehmers. Zum einen wird dem Unternehmer aufgegeben, den Verbraucher als künftigen Vertragspartner nicht nur darüber zu unterrichten, ob er zur Teilnahme verpflichtet ist, sondern auch davon, ob er dazu wenigstens freiwillig bereit ist oder nicht. Das Gesetz verlangt insoweit auch die Mitteilung einer fehlenden Bereitschaft (mit Verweis auf: BR-Drucks. 258/15, S. 92; BT-Drucks. 18/5089, S. 75) und auch die Angabe, "inwieweit" der Unternehmer bereit oder verpflichtet ist, sich an einem Streitbeilegungsverfahren zu beteiligen. Zum anderen müssen die zu erteilenden Hinweise leicht zugänglich, klar und verständlich sein.
2. Die auf einer Webseite und/oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmers enthaltene Mitteilung, die Bereitschaft zu einer Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle könne "im Einzelfall" erklärt werden, ist nicht ausreichend klar und verständlich im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG. Sie lässt offen, von welchen Kriterien der Unternehmer seine Entscheidung abhängig macht, sich auf eine Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle einzulassen, und zwingt den Verbraucher daher zu Nachfragen. Zudem impliziert sie, dass der Unternehmer - anders als von § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG vorausgesetzt - noch gar keine Entscheidung über seine Teilnahmebereitschaft getroffen hat.
3. Die vom Unternehmer nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG im Falle einer nur teilweisen Mitwirkungsbereitschaft geschuldete klare, verständliche und leicht zugängliche Mitteilung über die Reichweite der Bereitschaft erfordert letztlich die Angabe von aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers hinreichend trennscharfen Kriterien. In Betracht kommen etwa die Festlegung bestimmter Einkaufs- oder Bestellwerte beziehungsweise Streitwertober- oder - untergrenzen, die Beschränkung auf bestimmte Kategorien von Verträgen (beispielsweise Verträge über bestimmte Waren oder Dienstleistungen; Beschränkung auf Online-Verträge), die Einschränkung auf nur innerhalb von konkret bezeichneten Zeiträumen abgeschlossene Verträge sowie unter Umständen auch die Beschränkung auf bestimmte Streitgegenstände.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 08.02.2020
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2951
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.03.2020 - 6 U 240/19, MIR 2020, Dok. 046
Gesetzlichkeitsfiktion nur bei unveränderter Übernahme - Die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB kommt dem Unternehmer nur bei unveränderter Übernahme der Muster-Widerrufsbelehrung zugute
BGH, Urteil vom 01.12.2022 - I ZR 28/22, MIR 2022, Dok. 023
Markenschutz für die Form von Dextro Energy-Traubenzuckertäfelchen
Bundesgerichtshof, MIR 2017, Dok. 041
YouTube - Zur Haftung des Betreibers einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform für Urheberrechtsverletzungen
EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C‑682/18 und C‑683/18, MIR 2021, Dok. 050
Bezahlte Rezensionen im Internet - Zur natürlichen Handlungseinheit bei Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Unterlassungspflichten
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.01.2022 - 6 W 106/21, MIR 2022, Dok. 032