Kurz notiert // Urheberrecht
Bundesgerichtshof
Kein Beweisverwertungsverbot bei einer Auskunft zum Filesharing durch einen Endkundenanbieter
BGH, Urteil vom 13.07.2017 - I ZR 193/16 – Benutzerkennung; Vorinstanzen: AG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 23.11.2015 - 3b C 323/15; LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 23.08.2016 - 6 S 149/15
MIR 2017, Dok. 028, Rz. 1
1
Der Bundesgerichtshof hat sich mit Urteil vom 13.07.2017 (I ZR 193/16) mit der Frage beschäftigt, ob im Falle der Urheberrechtsverletzung durch Filesharing die dem Rechtsinhaber erteilte Auskunft des von dem Netzbetreibers (hier: Telekom) verschiedenen Endkundenanbieters (hier: 1&1) im Zivilprozess gegen den Anschlussinhaber einem Beweisverwertungsverbot unterliegt, wenn lediglich für die Auskunft des Netzbetreibers, nicht aber für die Auskunft des Endkundenanbieters eine richterliche Gestattung nach § 101 Abs. 9 UrhG vorliegt. Das Gericht verneinte dies. Die Auskunft des Endkundenanbieters betreffe insoweit nur Bestandsdaten.
Zur Sache:
Die Klägerin macht geltend, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island" zu sein. Dieses Spiel sei über den der Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss in einer Tauschbörse im Internet zum Herunterladen angeboten worden. Die Beklagte unterhält einen von der Firma X AG angebotenen, über das Telefonnetz der Deutschen Telekom AG betriebenen Festnetzanschluss.
Die Klägerin hat nach einem unter Beteiligung der Deutschen Telekom AG als Netzbetreiberin durchgeführten Gestattungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG von dieser die Auskunft erhalten, welche Benutzerkennung im fraglichen Zeitraum den IP-Adressen zugeordnet war, die die Klägerin im Zusammenhang mit dem beanstandeten Filesharingvorgang ermittelt hat. Die Netzbetreiberin hat weiter darüber Auskunft erteilt, dass diese Benutzerkennung dem Endkundenanbieter X AG zugeteilt war. Von der am Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG nicht beteiligten X AG hat die Klägerin sodann Auskunft über Namen und Anschrift der Beklagten erhalten, die der vom Netzbetreiber mitgeteilten Benutzerkennung zugeordnet waren.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Abmahnkosten (EUR 859,80) und Schadensersatz (EUR 500,00).
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein Richtervorbehalt für Auskunft unter Verwendung von Bestandsdaten
Für die Auskünfte der X-AG bestehe kein Beweisverwertungsverbot, so der Bundesgerichtshof. Dem Richtervorbehalt des § 109 Abs. 9 Satz 1 UrhG unterliegt in der Konstellation des Streitfalls allein die unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgende Auskunft des Netzbetreibers darüber, welcher Benutzerkennung die ermittelten dynamischen IP-Adressen im maßgeblichen Zeitpunkt zugeordnet waren und auf welchen Endkundenanbieter die Benutzerkennung entfiel. Für die Auskunft des Netzbetreibers lag insoweit eine richterliche Gestattung vor. Die Auskunft des Endkundenanbieters über Namen und Anschrift der der Benutzerkennung zugeordneten Person erfolge hingegen nicht unter Verwendung von Verkehrsdaten sondern von Bestandsdaten. Eines weiteren Gestattungsverfahrens nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG unter Beteiligung des Endkundenanbieters bedürfe es daher nicht.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nun die bisher fehlenden Feststellungen zur behaupteten Verletzungshandlung nachzuholen haben.
(tg) - Quelle: PM Nr. 114/2017 des BGH vom 13.07.2017
Zur Sache:
Die Klägerin macht geltend, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel "Dead Island" zu sein. Dieses Spiel sei über den der Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss in einer Tauschbörse im Internet zum Herunterladen angeboten worden. Die Beklagte unterhält einen von der Firma X AG angebotenen, über das Telefonnetz der Deutschen Telekom AG betriebenen Festnetzanschluss.
Die Klägerin hat nach einem unter Beteiligung der Deutschen Telekom AG als Netzbetreiberin durchgeführten Gestattungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG von dieser die Auskunft erhalten, welche Benutzerkennung im fraglichen Zeitraum den IP-Adressen zugeordnet war, die die Klägerin im Zusammenhang mit dem beanstandeten Filesharingvorgang ermittelt hat. Die Netzbetreiberin hat weiter darüber Auskunft erteilt, dass diese Benutzerkennung dem Endkundenanbieter X AG zugeteilt war. Von der am Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG nicht beteiligten X AG hat die Klägerin sodann Auskunft über Namen und Anschrift der Beklagten erhalten, die der vom Netzbetreiber mitgeteilten Benutzerkennung zugeordnet waren.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Abmahnkosten (EUR 859,80) und Schadensersatz (EUR 500,00).
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein Richtervorbehalt für Auskunft unter Verwendung von Bestandsdaten
Für die Auskünfte der X-AG bestehe kein Beweisverwertungsverbot, so der Bundesgerichtshof. Dem Richtervorbehalt des § 109 Abs. 9 Satz 1 UrhG unterliegt in der Konstellation des Streitfalls allein die unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgende Auskunft des Netzbetreibers darüber, welcher Benutzerkennung die ermittelten dynamischen IP-Adressen im maßgeblichen Zeitpunkt zugeordnet waren und auf welchen Endkundenanbieter die Benutzerkennung entfiel. Für die Auskunft des Netzbetreibers lag insoweit eine richterliche Gestattung vor. Die Auskunft des Endkundenanbieters über Namen und Anschrift der der Benutzerkennung zugeordneten Person erfolge hingegen nicht unter Verwendung von Verkehrsdaten sondern von Bestandsdaten. Eines weiteren Gestattungsverfahrens nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG unter Beteiligung des Endkundenanbieters bedürfe es daher nicht.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nun die bisher fehlenden Feststellungen zur behaupteten Verletzungshandlung nachzuholen haben.
(tg) - Quelle: PM Nr. 114/2017 des BGH vom 13.07.2017
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 13.07.2017
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2823
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