Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 03.03.2016 - I ZR 140/14
Angebotsmanipulation bei Amazon - Zu den Überwachungs- und Prüfungspflichten von Amazon-Marketplace-Händlern im Bezug auf mögliche Veränderungen der Produktbeschreibung ihrer Angebote
MarkenG § 14 Abs. 5
Leitsätze:*1. Außer aus Gesetz oder vertraglichen Regelungen kann sich eine Rechtspflicht zur Prüfung und zur Abwendung einer Rechtsverletzung auch unter dem Gesichtspunkt eines gefahrerhöhenden Verhaltens ergeben (BGH, Urteil vom 09.11.2011 - I ZR 150/09 - Basler Haar-Kosmetik). Die Tätigkeit als Händler auf Amazon Marketplace bringt die Gefahr von Rechtsverletzungen mit sich, weil Dritte die Produktbeschreibung ändern können. Einem Händler ist insoweit zuzumuten, ein von ihm dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum bei Amazon Marketplace eingestelltes Angebot regelmäßig darauf zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden sind. Kommt er dieser Prüfungspflicht nicht nach, haftet er für durch solche Veränderungen seines Angebots bewirkte Rechtsverletzungen als Störer auf Unterlassung.
2. Prüfungspflichten auf der Grundlage der Störerhaftung können nur in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes begründet werden (vgl. BGH, Urteil vom 01.04.2004 - I ZR 317/01 - Schöner Wetten; BGH, Urteil vom 09.02.2006 - I ZR 124/03 - Rechtsanwalts-Ranglisten; BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08, MIR 2010, Dok. 083 - Sommer unseres Lebens). Das spricht aber nicht dagegen, den auf Amazon-Marketplace tätigen Händlern eine Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihnen eingestellten Angebote aufzuerlegen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dabei im Rahmen der Frage der Zumutbarkeit bei der Bestimmung von Häufigkeit und Umfang der erforderlichen Prüfungen Rechnung zu tragen. Das berechtigte Interesse der Rechtsinhaber, Verletzungen ihrer Rechte zu verhindern oder wirksam zu verfolgen, lässt es aber nicht zu, jede Prüfungspflicht der auf Amazon-Marketplace gewerblich tätigen Händler zu verneinen. Die Prüfungspflicht der Händler auf Amazon-Marketplace besteht, ohne dass zuvor ein Hinweis auf eine Rechtsverletzung durch ein bestimmtes Angebot erfolgen muss. Diese Händler sind nicht Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG, die keiner allgemeinen Überwachungspflicht unterliegen (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004 - I ZR 304/01 - Internet-Versteigerung I; BGH, Urteil vom 17.08.2011 - I ZR 57/09 - Stiftparfüm; BGH, Urteil vom 05.02.2015 - I ZR 240/12 - Kinderhochstühle III).
3. Händler, die auf der Internet-Verkaufsplattform Amazon-Marketplace Produkte zum Verkauf anbieten, trifft eine Überwachungs- und Prüfungspflicht auf mögliche Veränderungen der Produktbeschreibungen ihrer Angebote, die selbständig von Dritten vorgenommen werden, wenn der Plattformbetreiber derartige Angebotsänderungen zulässt.
Zur Häufigkeit bzw. einem möglichen "Prüfungsintervall" führt der Senat im Bezug auf den vorliegenden Fall wie folgt aus: "(...) Grundsätzlich kann jede nachträgliche Änderung eines Herstellerzeichens den Verdacht einer unzulässigen Angebotsmanipulation begründen. Selbst wenn man aber den Beklagten erst nach Eintragung der Marke für verpflichtet hält, eine Kennzeichnung seines Angebots mit der fremden Marke zu verhindern, hat er über nahezu zwei Wochen keine entsprechende Überprüfung vorgenommen und damit jedenfalls seine Prüfpflicht verletzt.(...)"
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 22.09.2016
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2786
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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