Rechtsprechung // Wettbewerbsrecht
BGH, Urteil vom 21.05.2015 - I ZR 183/13
Erfolgsprämie für die Kundengewinnung - Verstoß gegen § 1 Abs. 5 NordrheinZÄBerufsO ist als Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig
UWG § 4 Nr. 11; NordrheinZÄBerufsO § 1 Abs. 5; BGB § 305c Abs. 2; Richtlinie 2005/29/EG Art. 4, Art. 3 Abs. 8
Leitsätze:*1. Zwar sollen nach Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken diejenigen Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken vollständig harmonisiert werden, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen. Nach Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2005/29/EG bleiben aber alle spezifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Unionsrechts auferlegen können. Dementsprechend ist die Anwendung von § 4 Nr. 11 UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen, die das Marktverhalten in unionsrechtskonformer Weise regeln, nach UWG 2008 ebenfalls zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2009 - I ZR 13/07 - Brillenversorgung I; BGH, Urteil vom 01.06.2011 - I ZR 58/10 - Rechtsberatung durch Einzelhandelsverband; BGH, Urteil vom 17.07.2013 - I ZR 222/11 - Meisterpräsenz; BGH, Urteil vom 24.07.2014 - I ZR 68/13 - Hörgeräteversorgung III).
2.
a) Die Bestimmung des § 1 Abs. 5 BO Zahnärzte Nordrhein, nach der der Zahnarzt keine Verpflichtung eingehen soll, die seine Unabhängigkeit bei der Berufsausübung beeinträchtigen kann, stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar.
b) Ein Geschäftsmodell, an dem sich ein Zahnarzt beteiligt, ist mit § 1 Abs. 5 BO Zahnärzte Nordrhein unvereinbar, wenn es die Gefahr begründet, dass ein Zahnarzt sich bei der Behandlung nicht am Patientenwohl orientiert, sondern an seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen. Eine solche Gefahr ergibt sich nicht aus Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Betreibers des Geschäftsmodells, die die Auslegung zulassen, dass der Zahnarzt die Behandlung eines Patienten aus medizinischen Gründen ohne Kostennachteile ablehnen kann.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 09.11.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2749
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Bundesgerichtshof, MIR 2019, Dok. 010
Versandkosten Wucher!! - Zur Zulässigkeit einer negativen Bewertung bei eBay
Bundesgerichtshof, MIR 2022, Dok. 072
Ordnungsmittelantrag nicht gelisteter Wirtschaftsverbände - Für die Antragsbefugnis im Ordnungsmittelverfahren kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF erfüllt sind
BGH, Beschluss vom 21.12.2023 - I ZB 42/23, MIR 2024, Dok. 022
Existenzgründung und Verbrauchereigenschaft? - Ein Coaching, das objektiv zur Vorbereitung der Entscheidung dient, ob es zu einer Existenzgründung kommen soll, kann als Verbraucherhandeln einzuordnen sein
OLG Stuttgart, Urteil vom 04.02.2025 - 6 U 46/24, MIR 2025, Dok. 021
Deep-Fake-Werbevideo mit Prominenten - Eine Social-Media-Plattform muss (erst) nach einem Hinweis auf einen rechtsverletzenden Post auch (nur) sinngleiche Inhalte sperren
Oberlandesgericht Frankfurt a.M., MIR 2025, Dok. 022