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Kurz notiert // Urheberrecht



Bundesgerichtshof

Keine Urheberrechtsverletzung durch "Framing" bei rechtmäßiger Quelle

BGH, Urteil vom 09.07.2015 - I ZR 46/12 - Die Realität II; Vorinstanzen: EuGH - Beschluss vom 21.10-2014 - C-348/13 - BestWater International/Mebes und Potsch; BGH, Beschluss vom 16.05.2013 - I ZR 46/12 - Die Realität I; OLG München, Urteil vom 16.02.2012 - 6 U 1092/11; LG München I - Urteil vom 02.02.2011 - 37 O 15777/10

MIR 2015, Dok. 057, Rz. 1


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Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 09.07.2015 (I ZR 46/12 - Die Realität II) entschieden, dass der Betreiber einer Internetseite (mangels öffentlichem Zugänglichmachen bzw. öffentlicher Wiedergabe) jedenfalls dann keine Urheberrechtsverletzung begeht, wenn er urheberrechtlich geschützte Inhalte, die auf einer anderen Internetseite mit Zustimmung des Rechtsinhabers für alle Internetnutzer zugänglich sind, im Wege des "Framing" in seine eigene Internetseite einbindet.

Zur Sache

Die Klägerin produziert und vertreibt Wasserfiltersysteme. Sie ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel "Die Realität" herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Videoplattform "YouTube" abrufbar.

Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie den Besuchern ihrer Internetseiten, das Video der Klägerin im Wege des sogenannten "Framing" abzurufen. Bei einem Klick auf einen Link wurde der Film vom Server der Videoplattform "YouTube" abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen ("Frame") abgespielt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten das Video damit unberechtigt öffentlich zugänglich gemacht. Sie hat die Beklagten daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je EUR 1.000,00 an die Klägerin verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Kein öffentliches Zugänglichmachen und keine öffentliche Wiedergabe durch "Framing", wenn (Ausgangs-) Veröffentlichung mit Zustimmung des Rechteinhabers erfolgt

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht habe mit Recht angenommen, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des "Framing" kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt, so der Bundesgerichtshof. Eine solche Verknüpfung verletze auch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG grundsätzlich kein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe auf das im vorliegenden Rechtsstreit eingereichte Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs ausgeführt, es liege insoweit keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt würden, die auf einer anderen Internetseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich seien. Das gelte auch dann, wenn das Werk bei Anklicken des bereitgestellten Links in einer Art und Weise erscheine, die den Eindruck vermittele, dass es auf der Seite erscheine, auf der sich dieser Link befinde, obwohl es in Wirklichkeit von einer anderen Seite stamme.

Noch ungeklärt: Öffentliche Wiedergabe auch wenn keine Erlaubnis bzw. Zustimmung des Rechteinhabers vorliegt?

Den Ausführungen des EuGH ist nach Ansicht des BGH allerdings zu entnehmen, dass in solchen Fällen eine öffentliche Wiedergabe erfolgt, wenn keine Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers vorliegt. Danach hätten die Beklagten das Urheberrecht am Film verletzt, wenn dieser ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war. Dazu habe das Berufungsgericht allerdings keine Feststellungen getroffen. Der BGH hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

(Weitere) Aussetzung des Verfahrens erwogen

Der Bundesgerichtshof hatte erwogen, das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in dem vom Hoge Raad der Niederlande am 07.04.2015 eingereichten Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-160/15 - GS Media BV/Sanoma Media Netherlands BV u.a. auszusetzen. Der Hoge Raad hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob von einer öffentlichen Wiedergabe auszugehen ist, wenn das Werk auf der anderen Internetseite ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist. Der BGH hat gleichwohl von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen. Mit einer Entscheidung des EuGH in dem ihm vom Hoge Raad vorgelegten Verfahren ist frühestens in einem Jahr zu rechnen. Auf die dem EuGH in jenem Verfahren gestellte Frage kommt es im vorliegenden Verfahren nur an, wenn der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs sei es daher nicht angezeigt, das Verfahren ohne Klärung der Frage auszusetzen, ob der Film ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bei "YouTube" eingestellt war.

(tg) - Quelle: PM des BGH Nr. 114/2015 vom 09.07.2015

Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 09.07.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2724
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