Kurz notiert // Wettbewerbsrecht
Landgericht München I
Adblock Plus blockt (noch immer) nicht rechtswidrig
LG München I, Urteile vom 27.05.2015 - 37 O 11673/14, 37 O 11843/14
MIR 2015, Dok. 046, Rz. 1
1
Doch keine "Wegelagerei"? Mit Urteilen vom 27.05.2015 hat das LG München I (37 O 11673/14 und 37 O 11843/14) entschieden, dass die Browser-Erweiterung "Adblock Plus" weder gegen Wettbewerbsrecht, noch Kartellrecht, noch gegen das Urheberrecht verstößt. Die Klagen von Pro Sieben Sat 1 und RTL Interactive/IP Deutschland wurden abgewiesen. Im April hatte das LG Hamburg (Urteil vom 21.04.2015 - 416 HKO 159/14 nrk) bereits ähnliche Klagen von Zeit Online und Handelsblatt abgewiesen.
Zur Sache
AdBlock Plus kann als Browser-Erweiterung von den Nutzern kostenlos im Internet heruntergeladen und installiert werden. Das Tool blockiert mit entsprechenden Filtern und Listen (die auch von den Nutzern konfiguriert werden können) die Anzeige von Werbung insbesondere auf Internetseiten. Internetseitenbetreiber können sich dabei gegenüber der Betreiberin von "AdBlock Plus", der Eyeo GmbH, vertraglich zur Einhaltung bestimmter Kriterien für sogenannte "akzeptable Werbung" verpflichten. Dann werden deren Internetseiten im Rahmen eines "Whitelisting" freigeschaltet und bestimmte Werbung trotz aktivierten Werbeblockers angezeigt. Das "Whitelisting" kann dabei von den Nutzern ebenfalls frei konfiguriert und auch ausgeschaltet werden. Für dieses "Whitelisting" fordern die Beklagten von ihren Partnern (etwa mit einem erheblichen Portfolio und entsprechenden Integrationsaufwand) teilweise ein umsatzabhängiges Entgelt (bezogen auf die Mehreinnahmen durch "AdBlock Plus-User"). Die Klägerinnen sehen in diesem Geschäftsmodell Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Kartellrecht.
Entscheidung des Gerichts: Keine Rechtsverletzung - Klage abgewiesen
Das LG München I hat die Klagen abgewiesen. Eine Rechtsverletzung sei nicht gegeben.
Keine wettbewerbswidrige Behinderung
Das Angebot und der Vertrieb der Werbeblocker-Software stellten insbesondere keine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerinnen dar, weil es letztendlich die Internetnutzer seien, die aufgrund einer autonomen und eigenständigen Entscheidung den Werbeblocker installieren und hierdurch die Anzeige der Werbung verhindern.
Keine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung
Ebenfalls liege eine Beteiligung der Beklagten an einer urheberrechtswidrigen Verwertungshandlung der Internetnutzer nicht vor. Denn die bloße Nutzung des Angebots der hiesigen Klägerinnen, die ihre Inhalte kostenlos im Internet öffentlich zugänglich machen, sei keine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung durch den einzelnen Seitenbesucher, auch wenn der Webseitenbetreiber mit der Verwendung des Werbeblockers nicht einverstanden sei.
Keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung
Ein Verstoß gegen das Kartellrecht sei ebenfalls nicht gegeben. Jedenfalls derzeit sei keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagten anzunehmen. Dabei sei auf den Markt der Internetnutzer abzustellen, also auf die Verbreitung des streitgegenständlichen Werbeblockers unter den Internetnutzern in Deutschland. Entscheidend sei also, dass die Klägerinnen trotz des Vertriebs des Werbeblockers durch die Beklagten immer noch eine hinreichende Zahl von Internetnutzern mit der auf ihren Webseiten gezeigten Werbung erreichen könnten.
Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.
Perspektivenwechsel: Zielgerichtete Umgehung eines Werbeblockers rechtswidrig?
Die Diskussion um den Werbeblocker "AdBlock Plus" wird insbesondere aufgrund des beschriebenen Geschäftsmodells - nicht nur rechtlich - kontrovers und mitunter emotional diskutiert. Soweit stellenweise bekannt geworden ist, dass die von Werbeblockern "betroffenen" Diensteanbieter ihrerseits Technologien einsetzen um derartige Tools zu identifizieren und zu umgehen, muss und sollte auch die Frage gestellt werden, wie dieses Verhalten zu werten ist. Der Nutzer eines Werbeblockers entscheidet sich ausdrücklich - im Rahmen der jeweiligen Konfiguration - gegen Werbung auf den von ihm aufgerufenen Internetseiten. Diese bewusste und clientseitig durchaus dokumentierte Entscheidung zielgerichtet zu umgehen dürfte als (auch rechtlich) mindestens fragwürdig zu beurteilen sein; ggf. im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Beurteilung gar unter dem Aspekt von § 7 UWG. Ist die Anzeige von Werbung trotz aktiver Werbeblocker also eine unzumutbare Belästigung des jeweiligen Nutzers? Konsequent wäre die Sperrung der Angebote für diejenigen Nutzer, die Werbeblocker einsetzen. Aber dies möchte "die andere Seite" natürlich ebenfalls nicht - selbstverständlich aus Gründen der Erhaltung von "Medienvielfalt und Pressefreiheit".
(tg) - Quelle: PM Nr. 4/2015 des LG München I/eigener Beitrag
Zur Sache
AdBlock Plus kann als Browser-Erweiterung von den Nutzern kostenlos im Internet heruntergeladen und installiert werden. Das Tool blockiert mit entsprechenden Filtern und Listen (die auch von den Nutzern konfiguriert werden können) die Anzeige von Werbung insbesondere auf Internetseiten. Internetseitenbetreiber können sich dabei gegenüber der Betreiberin von "AdBlock Plus", der Eyeo GmbH, vertraglich zur Einhaltung bestimmter Kriterien für sogenannte "akzeptable Werbung" verpflichten. Dann werden deren Internetseiten im Rahmen eines "Whitelisting" freigeschaltet und bestimmte Werbung trotz aktivierten Werbeblockers angezeigt. Das "Whitelisting" kann dabei von den Nutzern ebenfalls frei konfiguriert und auch ausgeschaltet werden. Für dieses "Whitelisting" fordern die Beklagten von ihren Partnern (etwa mit einem erheblichen Portfolio und entsprechenden Integrationsaufwand) teilweise ein umsatzabhängiges Entgelt (bezogen auf die Mehreinnahmen durch "AdBlock Plus-User"). Die Klägerinnen sehen in diesem Geschäftsmodell Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Kartellrecht.
Entscheidung des Gerichts: Keine Rechtsverletzung - Klage abgewiesen
Das LG München I hat die Klagen abgewiesen. Eine Rechtsverletzung sei nicht gegeben.
Keine wettbewerbswidrige Behinderung
Das Angebot und der Vertrieb der Werbeblocker-Software stellten insbesondere keine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerinnen dar, weil es letztendlich die Internetnutzer seien, die aufgrund einer autonomen und eigenständigen Entscheidung den Werbeblocker installieren und hierdurch die Anzeige der Werbung verhindern.
Keine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung
Ebenfalls liege eine Beteiligung der Beklagten an einer urheberrechtswidrigen Verwertungshandlung der Internetnutzer nicht vor. Denn die bloße Nutzung des Angebots der hiesigen Klägerinnen, die ihre Inhalte kostenlos im Internet öffentlich zugänglich machen, sei keine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung durch den einzelnen Seitenbesucher, auch wenn der Webseitenbetreiber mit der Verwendung des Werbeblockers nicht einverstanden sei.
Keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung
Ein Verstoß gegen das Kartellrecht sei ebenfalls nicht gegeben. Jedenfalls derzeit sei keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagten anzunehmen. Dabei sei auf den Markt der Internetnutzer abzustellen, also auf die Verbreitung des streitgegenständlichen Werbeblockers unter den Internetnutzern in Deutschland. Entscheidend sei also, dass die Klägerinnen trotz des Vertriebs des Werbeblockers durch die Beklagten immer noch eine hinreichende Zahl von Internetnutzern mit der auf ihren Webseiten gezeigten Werbung erreichen könnten.
Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.
Perspektivenwechsel: Zielgerichtete Umgehung eines Werbeblockers rechtswidrig?
Die Diskussion um den Werbeblocker "AdBlock Plus" wird insbesondere aufgrund des beschriebenen Geschäftsmodells - nicht nur rechtlich - kontrovers und mitunter emotional diskutiert. Soweit stellenweise bekannt geworden ist, dass die von Werbeblockern "betroffenen" Diensteanbieter ihrerseits Technologien einsetzen um derartige Tools zu identifizieren und zu umgehen, muss und sollte auch die Frage gestellt werden, wie dieses Verhalten zu werten ist. Der Nutzer eines Werbeblockers entscheidet sich ausdrücklich - im Rahmen der jeweiligen Konfiguration - gegen Werbung auf den von ihm aufgerufenen Internetseiten. Diese bewusste und clientseitig durchaus dokumentierte Entscheidung zielgerichtet zu umgehen dürfte als (auch rechtlich) mindestens fragwürdig zu beurteilen sein; ggf. im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Beurteilung gar unter dem Aspekt von § 7 UWG. Ist die Anzeige von Werbung trotz aktiver Werbeblocker also eine unzumutbare Belästigung des jeweiligen Nutzers? Konsequent wäre die Sperrung der Angebote für diejenigen Nutzer, die Werbeblocker einsetzen. Aber dies möchte "die andere Seite" natürlich ebenfalls nicht - selbstverständlich aus Gründen der Erhaltung von "Medienvielfalt und Pressefreiheit".
(tg) - Quelle: PM Nr. 4/2015 des LG München I/eigener Beitrag
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Ch. Gramespacher
Online seit: 27.05.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2713
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Online seit: 27.05.2015
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2713
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Was Sie noch interessieren könnte...
Gutschein statt Stornierung - Das Angebot eines Reiseveranstalters gegenüber Kunden zur Umbuchung einer pandemiebedingt nicht durchführbaren Reise ohne den Hinweis auf die Stornierungsmöglichkeit kann zulässig sein
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.09.2022 - 6 U 191/21, MIR 2022, Dok. 077
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde im Markenlöschungsverfahren im Regelfall EUR 50.000,00
BGH, Beschluss vom 22.12.2017 - I ZB 45/16, MIR 2018, Dok. 005
muenchen.de - Zur (wettbewerbsrechtlichen) Zulässigkeit eines durch eine Kommune betriebenen Stadtportals, insbesondere mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse
BGH, Urteil vom 13.07.2023 - I ZR 152/21, MIR 2023, Dok. 053
Sinupret - Zur Irreführung bei der Werbung für ein Arzneimittel, wenn die Werbeaussage dem Arzneimittel eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen bei der Anwendung beim Menschen beilegt
BGH, Urteil vom 05.11.2020 - I ZR 204/19, MIR 2021, Dok. 009
Portierungsauftrag - Die erneute systematische und planmäßige Zuleitung von, von Kunden widerrufenen Portierungsaufträgen durch einen Telekomunikationsanbieter an einen Wettbewerber stellt eine gezielte Behinderung dar
BGH, Urteil vom 11.10.2017 - I ZR 210/16, MIR 2018, Dok. 007
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.09.2022 - 6 U 191/21, MIR 2022, Dok. 077
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde im Markenlöschungsverfahren im Regelfall EUR 50.000,00
BGH, Beschluss vom 22.12.2017 - I ZB 45/16, MIR 2018, Dok. 005
muenchen.de - Zur (wettbewerbsrechtlichen) Zulässigkeit eines durch eine Kommune betriebenen Stadtportals, insbesondere mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse
BGH, Urteil vom 13.07.2023 - I ZR 152/21, MIR 2023, Dok. 053
Sinupret - Zur Irreführung bei der Werbung für ein Arzneimittel, wenn die Werbeaussage dem Arzneimittel eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen bei der Anwendung beim Menschen beilegt
BGH, Urteil vom 05.11.2020 - I ZR 204/19, MIR 2021, Dok. 009
Portierungsauftrag - Die erneute systematische und planmäßige Zuleitung von, von Kunden widerrufenen Portierungsaufträgen durch einen Telekomunikationsanbieter an einen Wettbewerber stellt eine gezielte Behinderung dar
BGH, Urteil vom 11.10.2017 - I ZR 210/16, MIR 2018, Dok. 007