Rechtsprechung // Zivilrecht
BGH, Urteil vom 11.11.2014 - VI ZR 18/14
Auslegung eines Unterlassungsvertrages - Zur Reichweite eines vertraglich vereinbarten Unterlassungsgebotes (hier: Keine Verpflichtung zur Einwirkung auf RSS-Feed-Abonnenten, die das vor Abschluss des Unterlassungsvertrages bezogene Bild weiter veröffentlichen)
BGB §§ 133, 157; KUG §§ 22, 23; ZPO § 890
Leitsätze:*1. Die Parteien sind in der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages grundsätzlich frei (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.1997 - I ZR 40/95). Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Regeln (BGH, Urteil vom 17.07.1997 - I ZR 40/95; BGH, Urteil vom 13.02.2003 - I ZR 281/01; BGH, Urteil vom vom 20.06.1991 - I ZR 277/89). Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck sowie die Interessenlage der Vertragsparteien heranzuziehen sind (BGH, Urteil vom 18.05.2006 - I ZR 32/03, MIR 2006, Dok. 120 (LS); BGH, Urteil vom 18.09.1997 - I ZR 71/95; BGH, Urteil vom 03.07.2003 - I ZR 297/00).
2. Der für die Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche ernsthafte Unterlassungswille, der in der Unterwerfungserklärung und deren Strafsicherungsangebot sichtbaren Ausdruck finden muss (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.1992 - I ZR 186/90), wird nicht (bereits) dadurch in Frage gestellt, dass sich eine strafbewehrte Verpflichtung nicht auch auf die Beseitigung der durch die Erstveröffentlichung und Abrufbarkeit Dritten ermöglichten weiteren Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung (hier: eines Bildes) erstreckt (hier: durch Einwirkung auf die RSS-Feed-Abonnenten).
3. Bei der Auslegung eines Vertragsstrafeversprechens in einem Unterlassungsvertrag kann, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die Verhängung von Ordnungsmitteln bei der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO maßgebend sind. Den Parteien kann ohne besondere Anhaltspunkte nicht der Wille unterstellt werden, bei der Regelung eines Unterlassungsvertrages eine Regelung gewollt zu haben, die der Rechtslage nach Erlass eines gleichlautenden Unterlassungstitels entspricht (BGH, Urteil vom 25.01.2001 - I ZR 323/98; BGH, Urteil vom 20.06.1991 - I ZR 277/89).
4. Aus der Sicht des Schuldners soll eine durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherte Unterlassungsverpflichtung sicherstellen, dass für von ihr erfasste Handlungen weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr besteht. Aus der Sicht des Gläubigers geht es in erster Linie um die Sicherung seines als schutzwürdig angesehenen Interesses am Unterbleiben weiterer Zuwiderhandlungen. Außerdem dient die strafbewehrte Unterlassungserklärung aus der Sicht des Gläubigers dazu, einen gerichtlichen Unterlassungstitel zu ersetzen. Es wird deshalb im Allgemeinen weder dem Interesse des Gläubigers noch dem Interesse des Schuldners entsprechen, durch die Unterlassungsverpflichtung schlechter gestellt zu werden als durch einen entsprechenden Titel (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2006 - I ZR 32/03, MIR 2006, Dok. 120 (LS); BGH, Urteil vom 25.01.2001 - I ZR 323/98). Damit ist zu beachten, dass es anerkannten Rechts ist, dass sich eine titulierte Unterlassungsverpflichtung nicht in bloßem Nichtstun erschöpft. Sie umfasst vielmehr auch die Vornahme von Handlungen zur Beseitigung eines zuvor geschaffenen Störungszustands, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann (BGH, Urteil vom 22.10.1992 - IX ZR 36/92 mwN - hier indes verneint).
5. Zur Reichweite eines vertraglich vereinbarten Unterlassungsgebotes - hier: Keine Verpflichtung zur Einwirkung auf RSS-Feed-Abonnenten, die das vor Abschluss des Unterlassungsvertrages bezogene Bild weiter veröffentlichen.
Leitsatz 5 ist der amtliche Leitsatz des Gerichts.
Bearbeiter: Rechtsanwalt Thomas Gramespacher
Online seit: 12.12.2014
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/2662
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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